Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
jedoch an einem anderen Punkt. Mal sehen, ob Shinwell Johnson uns nicht weiterhelfen kann.«
Shinwell Johnson meinen Lesern vorzustellen, hatte ich bisher keine Gelegenheit, weil ich bis jetzt wenige Fälle aus der späteren Phase der Karriere meines Freundes beschrieben habe. In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts ist dieser Mann meinem Freund ein nützlicher Assistent geworden. Ich muß leider sagen, daß Johnson seine eigene Karriere als gefährlicher Verbrecher begonnen und zwei Jahre in Parkhurst abgesessen hat. Schließlich präsentierte er sich Holmes und bot sich ihm als Verbündeten an. Er agierte als Holmes Spion in der weitläu-figen Londoner Unterwelt. Dabei brachte er Informationen hervor, deren Wert gar nicht überschätzt werden konnte. Als Informant der Polizei wäre Johnson schnell erkannt und zur Strecke gebracht worden. Aber Sherlock Holmes behandelte Fälle, die niemals direkt vor das Gericht gelangten und so wurden auch Johnsons Aktivitäten von seinen alten Kumpanen niemals entdeckt. Mit dem Glanz von zwei abgesessenen Gefängnisjahren hatte er Zutritt in jeden Nachtklub, in jede billige Unterkunft und jede Spielhölle der Stadt. Und sein schneller Blick und der wache Geist machten ihn zum idealen Agenten. Er bekam alle Informationen, die er nur brauchte. Diesen Mann wollte Sherlock Holmes nun einschalten.
Ich hatte um diese Zeit in meiner eigenen Praxis ein paar dringende Fälle zu versorgen, so konnte ich die Anfangsphase dieses Falles nicht verfolgen.
Ich hatte mich jedoch mit ihm bei Simpson verabredet. Holmes saß an einem der kleinen Tische am Fenster und blickte hinaus auf den Strom voller Leben am Strand. Er erzählte mir, was inzwischen geschehen war.
»Johnson ist unterwegs auf Beutezug«, sagte er. »Vielleicht gelingt es ihm, in den dunkleren Unterschlüpfen der Unterwelt einigen Plunder aufzulesen. Dort, inmitten der schwarzen Wur-zeln des Verbrechens, müssen wir nach den Geheimnissen dieses Mannes suchen.«
»Aber das Mädchen hört nicht auf vernünftigen Rat, obgleich soviel Ungutes über ihn bekannt ist. Wieso sollen neue Entdeckungen sie von ihrem falschen Weg abbringen? «
»Wer kann das sagen, Watson? Für einen Mann sind Herz und Geist einer Frau unergründbare Geheimnisse. Über Mord kann sie hinwegsehen oder ihn vergeben, und doch kann ein kleineres Vergehen schmerzen. Baron Gruner bemerkte mir gegenüber ... «
»Er bemerkte Ihnen gegenüber!«
»O sicher, ich habe Ihnen noch nicht erzählt, was ich vorhabe. Nun Watson, ich sehe mir meinen Mann gerne aus nächster Nähe an. Ich möchte ihm in die Augen sehen und darin lesen, aus welchem Stoff er gemacht ist. Als ich Johnson seine Instruktionen gegeben hatte, nahm ich eine Droschke, fuhr nach Kingston hinaus und traf den Baron in leutseligster Laune an.«
»Hat er Sie erkannt?«
»Es gab keine Schwierigkeiten. Ich habe ihm schlicht meine Karte hineingeschickt. Er ist ein ausgezeichneter Gegner, eiskalt, spricht mit weicher, seidiger Stimme und so beschwörend, wie ein altmodischer Hausarzt, aber dabei giftig wie eine Kobra. Er hat Lebensart - ein richt iger Aristokrat des Verbrechens. Wenn er auch an der Oberfläche wirkt, als käme er gerade von einer Teeparty, so liegt darunter die Grausamkeit des Todes verborgen. Ja, ich bin froh, daß meine Aufmerksamkeit auf den Baron Adalbert Gruner gelenkt worden ist. «
»Sie sagten, er sei freundlich gewesen?«
»Eine schnurrende Katze, die in ihrer Nähe Mäuse ahnt. Die Freundlichkeit mancher Menschen wirkt tödlicher, als Haß und Gewalttat gröberer Seelen. Schon seine Begrüßung war charakteristisch. >Ich habe mir schon gedacht, daß Sie mich früher oder später aufsuchen würden, Mr. Holmes<, sagte er. >Ich bin sicher, daß General de Merville sie engagiert hat, damit Sie meiner Heirat mit seiner Tochter Violet Einhalt gebieten. Das stimmt doch, oder?< Das mußte ich zugeben.
>Mein lieber Mann, sagte er, >Sie ruinieren nur ihren guten Ruf. Dies ist ein Fall, in dem Sie keineswegs Erfolg haben können. Ihre Arbeit wird unfruchtbar sein, von der Gefahr, in die Sie sich begeben, ganz zu schweigen. Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, es gleich sein zu lassen.<
>Es ist so seltsam<, sagte ich, >aber den gleichen Rat wollte ich Ihnen auch geben. Ich habe alle Achtung vor Ihrem Denkvermögen, Baron, und das wenige, das ich von Ihrer Persönlichkeit kennen gelernt habe, vermindert diese Achtung nicht. Lassen Sie es mich als von Mann zu Mann sagen. Niemand wird
Weitere Kostenlose Bücher