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Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex

Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex

Titel: Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Watson, als wäre sie meine eigene Tochter gewesen. Ich gebe mich nicht oft Gefühlen hin. Ich gebrauche meinen Kopf, nicht mein Herz. Ich redete zu ihr mit den wärmsten Worten, die mir zur Verfügung standen, und stellte ihr das Bild einer Frau vor Augen, die erst den schrecklichen Charakter ihres Mannes kennenlernt, wenn sie mit ihm verheiratet ist, eine Frau, die es sich gefallen lassen muß, von blutbefleckten Händen ge-streichelt und von lüsternen Lippen geküßt zu werden. Ich habe ihr nichts erspart - die Scha n-de, die Angst, den Schmerz, die Hoffnungslosigkeit in alledem. Aber meine eindringlichen Worte konnten weder einen Hauch von Farbe in ihre elfenbeinernen Wangen bringen, noch einen einzigen leidenschaftlichen Funken in die in weite Fernen gerichteten Augen. Ich dachte an das, was mir der Schurke von hypnotischem Einfluß erzählt hatte. Man konnte wirklich glauben, daß sie auf dieser Erde wie in einem ekstatischen Traum lebte. Und doch war in ihren Antworten nichts Unbestimmtes und Vages.
    >Ich habe Ihnen mit aller Geduld zugehört, Mr. Holmes<, sagte sie, >der Eindruck, den es auf mich hinterläßt, ist genauso, wie ich Ihnen vorausgesagt habe. Ich bin mir völlig dessen be-wußt, daß Adalbert, das ist mein Verlobter, ein stürmisches Leben hinter sich hat, in dem er bitteren Haß und ungerechtfertigte böse Nachrede erdulden mußte. Sie sind nur der letzte von denen, die diese bösen Nachreden zu mir tragen. Vielleicht meinen Sie es gut, wenn ich auch erfahren habe, daß Sie ein bezahlter Agent sind und wahrscheinlich genauso willig, für den Baron als gegen ihn zu arbeiten. Jedenfalls möchte ich Sie darauf hinweisen, daß ich ihn liebe und daß er mich liebt und daß das, was alle Welt sagt, nicht mehr für mich ist, als das Zwit-schern eines Vogels draußen vor dem Fenster. Wenn dieser edle Mensch auc h einmal für einen Augenblick gefallen ist, dann mag es meine Aufgabe sein, ihn zu seiner wahren, hohen Position wieder emporzuheben. Mir ist nicht klar - und damit wandte sie sich an meine Begleiterin - >wer diese junge Dame ist.<
    Ich wollte antworten, aber wie ein Wirbelwind kam mir das Mädchen zuvor. Es war, als ob man Feuer und Eis zusammengebracht hätte, wenn man die Gesichter dieser beiden Frauen sah.
    >Ich sage Ihnen, wer ich bin<, rief sie und sprang von ihrem Stuhl auf. Ihr Mund war vor Leidenschaft verzerrt. >Ich bin seine letzte Geliebte. Eine von den Hundert, die er verführt und ruiniert hat, um sie dann auf den Abfallhaufen zu werfen - genau so, wie es Ihnen auch ergehen wird. Der Misthaufen, auf den er Sie werfen wird, ist vermutlich das Grab, und möglicherweise ist es das Beste so. Ich sage Ihnen, Sie dämliches Weibsbild, wenn Sie diesen Mann heiraten, dann bedeutet das Ihren Tod! Es mag ein gebrochenes Herz oder ein zuge-schnürter Hals sein, aber er wird Sie auf die eine oder andere Weise kriegen. Ich rede nicht, weil ich Mitleid mit Ihnen habe. Es interessiert mich verdammt wenig, ob Sie leben oder tot sind. Ich rede, weil ich ihn so hasse, weil ich ihm auch etwas antun möchte. Aber es ist alles gleich, Sie brauchen mich nicht so anzusehen, Madame, denn bevor Sie mit ihm fertig sind, sind Sie vielleicht tiefer gesunken als ich!<
    >Ich ziehe es vor, solche Dinge nicht zu diskutieren«, sagte Miß de Merville kalt. >Lassen Sie es mich ein für allemal sagen, daß ich wohl weiß, daß er dreimal in die Netze von übelmei-nenden Frauen geraten ist. Ich bin sicher, daß er alles Übel, das er getan hat, herzlich bereut hat.<
    >Dreimal!<, schrie meine Gefährtin. >Sie dämliche Ziege! Sie entsetzlich dämliche Ziege!<
    >Mr. Holmes, ich möchte Sie bitten, dieses Gespräch zu beenden, sagte die eisige Stimme.
    >Ich habe meines Vaters Wunsch erfüllt und Sie empfangen, aber ich habe keine Verpflich-tung, mir das Geschrei dieser Person länger anzuhören.<
    Mit einem Fluch schoß Miß Winter auf sie zu, und hätte ich sie nicht am Handgelenk gepackt, so wäre sie dieser Frau in die Haare gefahren. Ich schleppte sie zur Tür und hatte Glück, sie ohne öffentliche Szene in eine Droschke zu kriegen, denn sie war vor Wut völlig aus dem Häuschen. Auf eine kalte Weise fühlte ich mich selber ziemlich wütend, Watson, denn da war etwas unbeschreiblich Provozierendes in dieser ruhigen Überheblichkeit der Frau, die wir retten wollten. - So, nun wissen Sie einmal wieder ganz genau, wie die Dinge stehen. Ich muß mir einen neuen Eröffnungszug ausdenken, denn so läuft das Spiel nicht.

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