Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
einer blinzelnden Neugier. Der allgemeine Eindurck jedoch war der eines zwar etwas exzentrischen, aber sonst ganz freundlichen Menschen.
Das Zimmer wirkte so seltsam wie sein Bewohner. Es sah wie ein kleines Museum aus. Es war so lang wie breit und hatte Schränke und Kommoden überall, vollgepackt mit geologi-schen und anatomischen Relikten. Glaskästen mit Schmetterlingen und Motten standen zu beiden Seiten der Eingangstür. Ein großer Tisch in der Mitte des Zimmers war vollgepackt mit allen möglichen Dingen, und dazwischen glitzerte ein gutes, starkes Mikroskop. Ich staunte, als ich mich umsah, wie umfassend die Interessen dieses Mannes waren. Hier war ein Kasten mit alten Münzen, dort ein Schrank mit uralten Versteinerungen, hinter seinem großen Tisch ein Schrank mit Fossilien. Darüber eine Reihe von Nachbildungen mit Namen wie
>Neandertalen, >Heidelberg<, >Cro-Magnon< daruntergeschrieben. Es war klar, daß er in vielen Fächern zu Hause war. Wie er jetzt vor uns stand, hielt er einen weichen Lederlappen in der Hand und polierte eine alte Münze.
»Syrakusisch - eine der besten aus der Periode«, erklärte er und hielt die Münze hoch. »Gegen Ende sind sie ziemlich degeneriert. In ihrer besten Zeit halte ich sie für überdurchschnittlich gut, wenn manche auch die alexandrische Schule bevorzugen. Dort drüben steht ein Stuhl, Mr. Holmes. Oh, erlauben Sie, daß ich diese Knochen wegräume. Und Sie, Sir - ah, ja, Dr.
Watson - wenn Sie die Güte haben, die japanische Vase zur Seite zu stellen. Sie sehen um mich herum die Interessen meines Lebens. Mein Arzt schilt mich, weil ich niemals an die Luft gehe, aber warum sollte ich ausgehen, wenn hier so viel ist, das mich festhält? Ich kann Ihnen versichern, wenn ich nur eine dieser Vitrinen richtig katalogisieren wollte, so würde das drei Monate kosten.« Holmes sah sich neugierig um.
»Wollen Sie mir erzählen, daß Sie niemals wirklich ausgehen?« sagte er.
»Doch, ab und zu fahre ich zu Sotheby oder Christie. Sonst verlasse ich mein Zimmer nur recht selten. Ich bin nicht sonderlich gesund, und meine Forschungen kosten mich viel Zeit und Kraft. Aber Sie können sich vorstellen, Mr. Holmes, was für einen gewaltigen Schock -
angenehm, aber trotzdem gewaltig ich bekam, als ich von meinem unverhofften Glück erfuhr.
Wir brauchen nur noch einen Garrideb mehr, um die Sache perfekt zu machen. Sicherlich werden wir einen finden. Ich hatte zwar einen Bruder, aber der ist tot, und weibliche Ver-wandte sind disqualifiziert. Aber es muß sicher noch mehr in der Welt geben. Ich habe gehört, daß Sie sich seltsamer Fälle annehmen, und darum habe ich nach Ihnen geschickt. Natürlich hat dieser amerikanische Herr ganz recht, und ich hätte ihn vorher um Rat fragen sollen. Aber ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.«
»Ich bin der Meinung, daß Sie sehr weise gehandelt haben«, sagte Holmes. »Aber sind Sie wirklich darauf versessen, ein Gut in Amerika zu übernehmen?«
»Gewiß nicht, Sir. Nichts könnte mich dazu bringen, meine Sammlung hier zu verlassen. Aber dieser Herr hat mir versichert, daß er mich auszahlen will, sobald wir unser Erbe antreten können. Fünf Millionen Dollar war die Summe, die er genannt hat. Es gibt ein Dutzend Sammlerstücke auf dem Markt, die sich herrlich in meiner Sammlung machen würden und die ich mir nicht leisten kann, weil ich die paar hundert Pfund nicht besitze. Stellen Sie sich vor, was ich mit fünf Millionen Dollar alles anfangen kann. Wieso, dann habe ich den Kern einer nationalen Sammlung. Ich würde der Hans im Glück meiner Zeit werden.«
Seine Augen glänzten hinter den großen Brillengläsern. Es war ganz klar, daß Mr. Nathan Garrideb keine Mühe sparen würde, um einen Namensvetter zu finden.
»Ich bin nur vorbeigekommen, um Ihre Bekanntschaft zu machen. Es gibt keinen Grund, weshalb Sie Ihre Studien unterbrechen sollten«, sagte Holmes. »Ich stelle gerne eine persönliche Verbindung her zu den Menschen, mit denen ich zu tun habe. Ich möchte allerdings ein paar Fragen an Sie richten. Ich habe Ihren sehr klaren Bericht in der Tasche, und das was mir noch unklar war, wurde durch den Besuch des amerikanischen Herrn geklärt. Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie bis zu dieser Woche keine Ahnung von seiner Existenz hatten?«
»Das ist so. Er besuchte mich am letzten Dienstag.«
»Hat er Ihnen von unserem heutigen Gespräch berichtet?«
»Er kam geradewegs zu mir zurück. Er hatte sich sehr
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