Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
uns das Verhältnis zu dem Mädchen einmal ansehen. Kennen Sie sie?«
»Jeder kennt sie. Sie ist die Schönheit in der Nachbarschaft - eine wirkliche Schönheit, Mr.
Holmes, die jedermanns Aufmerksamkeit erregt. Ich wußte, daß McPherson von ihr angezogen war, aber ich habe nicht ge wußt, daß die Sache soweit gediehen war, wie die Briefe aus-zusagen scheinen.«
»Wer ist sie?«
»Sie ist die Tochter des alten Tom Bellamy, dem alle Boote und Badewagen in Fulworth ge-hören. Er hat als Fischer angefangen, aber besitzt nun ein kleines Vermögen. Er und sein Sohn William führen das Geschäft.«
»Sollen wir nach Fulworth herübergehen und sie besuchen?« »Unter welchem Vorwand?«
»Oh, einen Vorwand können wir leicht finden. Immerhin hat dieser arme Mann sich diese ab-scheulichen Wunden ja wohl nicht selber beigebracht. Irgendein Mensch hat die entsetzliche Peitsche geschwungen, wenn es eine Peitsche war, die diese Wunden verursacht hat. Sein Be-kanntenkreis an diesem einsamen Ort ist bestimmt nicht sonderlich groß. Wir wollen ihn nach jeder Richtung hin absuchen, dann stoßen wir bestimmt auf das Motiv, das uns dann zu dem Verbrecher bringen wird. «
Es wäre ein angenehmer Spaziergang durch die nach Thymian duftenden Wiesen gewesen, wenn unsere Stimmung nicht durch die Tragödie, deren Zeugen wir geworden waren, getrübt worden wäre. Das Dorf Fulworth liegt in einer Bodensohle im Halbkreis um die Bucht he rum.
Hinter dem alten Dorfkern waren auch mehrere moderne Häuser auf dem ansteigenden Grund gebaut. Zu einem von diesem führte mich Stackhurst.
»Das ist >The Haven<, wie Bellamy es nennt. Das Haus dort mit dem Türmchen an der Seite und dem Schieferdach. Nicht schlecht für einen Mann, der mit nichts angefangen - aber - bei Gott, schauen Sie sich das an!«
Die Gartenpforte von >The Haven< hatte sich geöffnet und ein Mann trat heraus. Diese hohe, eckige Figur war unverwechselbar. Es war Ian Murdoch, der Mathematiklehrer. Einen Augenblick später traten wir ihm auf der Straße gegenüber.
»Hallo!« sagte Stackhurst. Der Mann nickte und sah ihn aus seinen seltsamen schwarzen Augen von der Seite an. Er wäre an uns vorbeigegangen, wenn der Schulleiter ihn nicht angeha lten hätte.
»Was machen Sie denn hier?« fragte er.
Murdochs Gesicht überzog sich mit ärgerlicher Röte. »Unter Ihrem Dach bin ich Ihr Untergebener. Aber es ist mir nicht bewußt, daß meine privaten Interessen Sie etwas angingen. «
Stackhursts Nerven waren nach allem, was er erlebt hatte, ziemlich am Ende. Sonst hätte er vielleicht gewartet. Nun verlor er die Geduld endgültig.
»Unter diesen Umständen ist Ihre Antwort eine reine Impertinenz, Mr. Murdoch. «
»Ihre Frage könnte man vielleicht genauso bezeichnen.«
»Dies ist nicht das erste Mal, daß ich ihre hochfahrende Art übersehen muß. Es ist gewiß das letzte Mal. Sie werden sich, so schnell Sie können, nach einer anderen Stellung umsehen.«
»Das hatte ich auch vor. Ich habe heute den einzigen Menschen verloren, der die >The Gables< menschenwürdig gemacht hat. «
Er ging davon, während Stackhurst mit wütenden Augen hinter ihm herstarrte. »Ist er nicht ein unmöglicher, unerträglicher Mensch?« rief er.
Ich war unangenehm berührt, daß Mr. Ian Murdoch die erste beste Gelegenheit beim Schopfe ergriff, um aus der Szene des Verbrechens zu verschwinden. Ein Verdacht, noch vage und nebulös begann in meinem Gehirn feste Formen anzune hmen. Vielleicht würde uns ein Besuch bei den Bellamys weiterhelfen. Stackhurst nahm sich zusammen, und wir gingen dem Haus zu.
Mr. Bellamy war ein Mann mittleren Alters mit einem flammend roten Bart. Er schien sehr schlechter Laune zu sein und sein Gesicht war fast beinahe so rot wie sein Bart.
»Nein, Sir, ich möchte keine Einzelheiten hören. Mein Sohn hier -« er wies auf einen sehr kräftigen jungen Mann mit einem schweren, brummigen Gesicht, der in der Ecke des Wohnzimmers saß, »ist wie ich der Meinung, daß Mr. McPhersons Annäherungsversuche Maud gegenüber beleidigend waren. Ja, Sir, das Wort >Heirat< wurde niemals erwähnt. Und doch gab es Briefe und Treffen und eine ganze Reihe mehr Dinge, die ich nicht gutheißen kann. Sie hat keine Mutter mehr. Wir müssen auf sie aufpassen. Wir haben beschlossen...«
Aber die Worte wurden ihm aus dem Mund genommen, weil die junge Dame selber erschien.
Sie hätte sich mit jeder Schönheit dieser Welt messen können. Wer hätte eine solch seltene Pflanze in dieser Umbegung
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