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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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aufspringend. »Es kommt aus dem Mittelfenster.«
    Beim Verlassen des Hauses kündigten wir dem Wirt mit ein paar Worten an, dass wir noch einen späten Besuch bei einem Bekannten machen wollten, wo wir möglicherweise auch die Nacht zubringen würden. Im nächsten Augenblick blies uns bereits der kalte Wind auf der finsteren Landstraße ins Gesicht, und der Lichtschein vom Herrenhaus war nun unser einziger Leitstern auf dem dunklen, unheimlichen Pfad.
    In die Anlagen hineinzukommen kostete uns wenig Mühe, denn in der alten Umfassungsmauer gähnten an mehreren Stellen weite Lücken. Wir hielten uns unter den Bäumen, bis wir auf dem Grasplatz waren. Eben hatten wir diesen überschritten und waren im Begriff, durch das Fenster einzusteigen, als aus dem dichten Lorbeergebüsch ein Wesen hervorschoss, das einem hässlichen, missgestalteten Kind ähnlich sah. Zuerst ließ es sich unter allerlei Gliederverrenkungen auf den Rasen niederfallen, dann rannte es eiligst über den Rasen davon und verschwand in der Dunkelheit.
    »Mein Gott«, flüsterte ich, »haben Sie es gesehen?«
    Holmes war im ersten Augenblick nicht minder erschrocken als ich selbst. In seiner Aufregung presste er mir das Handgelenk zusammen, dass ich hätte aufschreien mögen. Dann aber brach er in ein unterdrücktes Lachen aus und legte seine Lippen an mein Ohr.
    »Eine nette Wirtschaft«, flüsterte er. »Das ist ja der Pavian.«
    Ich hatte die absonderlichen Liebhabereien des Herrn Doktors ganz vergessen. Ein Leopard war ja auch noch da und konnte uns jeden Augenblick auf den Schultern sitzen. Ich gestehe, dass ich mich etwas erleichtert fühlte, als ich mich im Innern des Schlafzimmers befand, nachdem ich zuvor, dem Beispiel meines Freundes folgend, die Schuhe ausgezogen hatte. Dieser schloss nun geräuschlos die Läden, stellte die Lampe auf den Tisch und ließ dann seinen Blick im Zimmer umherschweifen. Es war noch alles genau so, wie wir es bei Tag gesehen hatten. Dann schlich er auf den Zehen zu mir und flüsterte durch die hohle Hand so leise, dass ich ihn nur gerade verstehen konnte:
    »Das geringste Geräusch würde unser Vorhaben zunichtemachen.«
    Ich nickte, zum Zeichen, dass ich verstanden habe.
    »Wir dürfen die Lampe nicht brennen lassen. Er würde das Licht durch das Luftloch sofort bemerken.«
    Ich nickte wieder.
    »Schlafen Sie nur nicht ein – es könnte Sie das Leben kosten. Halten Sie Ihre Pistole für den Notfall bereit; ich will mich auf das Bett setzen, und Sie nehmen den Stuhl dort.«
    Ich zog meinen Revolver aus der Tasche und legte ihn auf den Tischrand.
    Holmes hatte eine lange dünne Gerte mit hereingebracht, die er nun neben sich auf das Bett legte, nebst einer Zündholzschachtel und einem Lichtstümpfchen. Dann schraubte er den Docht der Lampe herunter, und wir saßen im Dunkeln.
    Wie könnte ich diese entsetzliche Wache je vergessen? Kein Laut, nicht der leiseste Atemzug war vernehmbar, und doch wusste ich, dass mein Begleiter kaum ein paar Schritte von mir mit offenen Augen in derselben Erregung und Spannung aller Nerven dasaß wie ich selbst. Die Läden ließen nicht den kleinsten Lichtstrahl durch, und die Finsternis, die uns umgab, war undurchdringlich. Draußen ließ sich von Zeit zu Zeit der Schrei eines Nachtvogels und einmal auch, gerade vor unserem Fenster, ein langgezogenes katzenartiges Wimmern hören, das uns bewies, dass der Leopard wirklich frei umherlief. Aus weiter Ferne klangen die tiefen Töne der Kirchenuhr herüber, die alle Viertelstunden schlug. Wie lang wurden sie uns, diese Viertelstunden! Es schlug zwölf, eins, zwei, drei – und noch immer saßen wir da und harrten stumm der Dinge, die da kommen sollten.
    Plötzlich blitzte an dem Luftloch ein flüchtiger Lichtschein auf, der sofort wieder verschwand, während sich nun ein ausgesprochener Geruch von brennendem Öl und erhitztem Metall bemerkbar machte. Es hatte jemand im Nebenzimmer eine Blendlaterne angezündet. Ich hörte etwas leise sich bewegen, und dann war wieder alles still, während der Geruch immer stärker wurde. Eine halbe Stunde saßen wir so mit lauschendem Ohr. Nun ließ sich mit einem Mal ein anderer Laut vernehmen – ein ganz leises, sanftes Pfeifen, wie wenn ein dünner Dampfstrahl längere Zeit aus einem Kessel ausströmt. Augenblicklich sprang Holmes vom Bett auf, zündete ein Streichholz an und hieb mit seiner Gerte wütend auf den Klingelzug los.
    »Sie sehen es doch, Watson?«, rief er. »Sie sehen es?«
    Aber ich sah

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