Sherlock Holmes - gesammelte Werke
»Nein, tun Sie’s nicht«, sagte er. »Ich schreibe Ihnen noch darüber. Aber spielen Sie mir keinen Streich, sonst ...«
»Oh, Sie können mir trauen. Verlassen Sie sich fest auf mich.«
»Sie müssen an dem Tag dafür sorgen, als ob es Ihr eigenes wäre.«
»Das versteht sich.«
»Ich glaube, Sie werden Wort halten. Morgen sollen Sie noch von mir hören.« Er wandte sich ab, ohne zu beachten, dass der andere ihm zitternd die Hand bot, und wir machten uns wieder nach King’s Pyland auf den Weg.
»Ein solches Gemisch von Unverschämtheit, Feigheit und Hinterlist wie bei diesem Mr Silas Brown ist mir noch selten begegnet«, äußerte Holmes, während wir zurückwanderten.
»Also, er hat das Pferd?«
»Er versuchte, es zu leugnen; aber ich habe ihm alles, was er an jenem Morgen getan hat, ganz genau beschrieben, und er ist überzeugt, dass ich ihn dabei beobachtet haben muss. Natürlich sind Ihnen bei dem Abdruck der Stiefel die ungewöhnlich breiten Spitzen aufgefallen und dass seine eigenen Stiefel genau dieselbe Form hatten. Wie sollte sich auch ein Untergebener so etwas herausnehmen! Er war, seiner Gewohnheit gemäß, der Erste auf dem Platz gewesen, hatte ein fremdes Pferd bemerkt, welches über das Moor dahergetrabt kam, ging ihm entgegen und erkannte es mit Staunen an dem weißen Streifen vorn am Kopf, dem es seinen Namen verdankt. Der Zufall hatte ihm das einzige Pferd zugeführt, welches den Renner besiegen konnte, auf den er sein Geld gesetzt hatte. Das alles sagte ich ihm und schilderte ihm dann, wie sein erster Antrieb gewesen sei, das Tier nach King’s Pyland zurückzuführen. Da habe ihm aber der Teufel den Gedanken eingegeben, auf welche Art er Silberstrahl verbergen könne, bis das Wettrennen vorüber wäre; worauf er wieder mit ihm umgekehrt sei, um ihn in Mapleton zu verstecken. Als ich ihm das alles haarklein auseinandersetzte, gab er das Leugnen auf und war nur noch bedacht, seine Haut zu retten.«
»Aber seine Ställe sind doch durchsucht worden.«
»Bah, ein alter Pferdehändler wie Brown versteht sich auf allerlei Kniffe.«
»Aber fürchten Sie denn nicht, das Pferd in seiner Gewalt zu lassen, da er ein Interesse daran hat, ihm Schaden zuzufügen?«
»Er wird es hüten wie seinen Augapfel, liebster Freund. Nur wenn er es gesund und heil zum Vorschein bringt, darf er auf Gnade hoffen.«
»Oberst Ross sieht mir nicht gerade aus wie jemand, der sehr geneigt wäre, Gnade für Recht gelten zu lassen.«
»Über die Sache hat auch der Oberst nicht zu entscheiden. Ich verfahre stets nach eigener Methode und teile den anderen so viel oder so wenig mit, wie mir beliebt. Das ist der Vorteil, wenn man kein angestellter Beamter ist. Ich weiß nicht, ob Sie bemerkt haben, Watson, dass der Oberst mich etwas von oben herab behandelt – dafür will ich mir jetzt einen kleinen Spaß auf seine Kosten machen. Erwähnen Sie gegen ihn nichts von dem Pferd.«
»Gewiss nicht ohne Ihre Erlaubnis.«
»Das alles hat ja natürlich nur sehr geringe Bedeutung im Vergleich zu der Frage, wer John Straker getötet hat.«
»Und wollen Sie das jetzt zu erforschen suchen?«
»Bewahre! Wir kehren beide mit dem Nachtzug nach London zurück.«
Ich war bei diesen Worten meines Freundes wie vom Donner gerührt. Dass er eine Untersuchung, die er mit so glänzendem Erfolg begonnen hatte, wieder aufgeben wollte, nachdem wir uns kaum ein paar Stunden in Devonshire aufgehalten, schien mir ganz unbegreiflich. Doch konnte ich nichts mehr aus ihm herausbringen, bis wir wieder in Strakers Wohnung angekommen waren. Der Oberst und der Inspektor erwarteten uns im Besuchszimmer.
»Wir fahren mit dem Nachtschnellzug zur Stadt zurück, mein Freund und ich«, erklärte Holmes. »Ihre köstliche Luft hier hat uns bei dem kleinen Ausflug sehr wohlgetan.«
Der Inspektor machte große Augen, und um den Mund des Obersten zuckte es spöttisch.
»Sie geben also die Hoffnung auf, den Mörder des armen Straker festzunehmen?«, sagte er.
Holmes zuckte die Achseln. »Die Sache hat ihre großen Schwierigkeiten. Dagegen ist gegründete Aussicht vorhanden, dass Ihr Pferd am nächsten Dienstag am Rennen teilnehmen wird. Halten Sie jedenfalls den Jockey in Bereitschaft. Jetzt möchte ich Sie nur noch um eine Fotografie von John Straker bitten.«
Der Inspektor nahm das gewünschte Bild aus einem Umschlag, den er in der Tasche trug, und händigte es ihm ein.
»Mein lieber Gregory, Sie kommen immer meinem Verlangen zuvor. Seien Sie so
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