Sherlock Holmes - gesammelte Werke
Boden, stützte sein Kinn auf die Hände und begann den zertretenen Boden sorgfältig zu betrachten.
»Halt, was ist das?«, rief er plötzlich.
Es war ein halb abgebranntes Wachskerzchen, aber so mit Schmutz überzogen, dass es kaum als solches zu erkennen war.
»Ich begreife nicht, wie ich das habe übersehen können«, sagte der Inspektor ärgerlich.
»Es war auch unsichtbar, ganz im Schlamm vergraben. Ich entdeckte es nur, weil ich danach suchte.«
»Was – Sie erwarteten, es zu finden?«
»Ich hielt es nicht für unwahrscheinlich.«
Holmes nahm jetzt den Schuh und den Stiefel aus dem Sack und verglich den Abdruck, welchen sie hinterließen, mit den Fußspuren auf dem Boden. Dann kletterte er an der Böschung hinauf und kroch unter den Farnkräutern und dem Gebüsch umher.
»Schwerlich werden noch andere Spuren vorhanden sein«, sagte der Inspektor. »Ich habe den Boden auf hundert Metern nach allen Richtungen hin sorgfältig untersucht.«
Holmes stand auf. »Wenn das der Fall ist«, meinte er, »so wäre es meinerseits mehr als überflüssig, wollte ich es noch einmal tun. Aber einen kleinen Gang über das Moor möchte ich doch machen, ehe es dunkel wird, damit ich morgen schon etwas Bescheid weiß. Auch will ich das Hufeisen in die Tasche stecken, das bringt Glück.«
Oberst Ross, der zuletzt nicht ohne deutliche Zeichen von Ungeduld der ruhigen und systematischen Arbeit meines Gefährten zugesehen hatte, zog jetzt die Uhr heraus.
»Es wäre mir lieb, wenn Sie mit mir zurückkämen, Herr Inspektor«, sagte er. »Ich möchte noch über verschiedene Punkte Ihren Rat hören. Besonders frage ich mich, ob wir nicht dem Publikum gegenüber verpflichtet wären, den Namen des Pferdes aus der Liste der Preisbewerber zu streichen.«
»Keinesfalls«, rief Holmes mit Entschiedenheit. »Lassen Sie den Namen nur stehen.«
Der Oberst verbeugte sich. »Es freut mich sehr, dass Sie der Ansicht sind«, sagte er. »Sie werden uns im Haus des armen Straker finden, wenn Sie von Ihrem Gang zurückkommen, und wir fahren dann wieder zusammen nach Tavistock.«
Er kehrte in Begleitung des Inspektors um, während wir, Holmes und ich, langsam über das Moor schritten. Die Sonne begann eben hinter den Stallgebäuden von Mapleton zu sinken; über der weiten, abschüssigen Ebene vor uns lag ein goldiger Schimmer ausgebreitet, der sich in ein sattes, prächtiges Rotbraun verwandelte, wo der Abendschein auf das dürre Farnkraut und das Dorngesträuch fiel. Aber die ganze landschaftliche Schönheit ging spurlos an meinem Gefährten vorüber, der tief in Gedanken versunken war.
»Es wird am besten sein, Watson«, sagte er endlich, »wir lassen die Frage, wer John Straker umgebracht hat, fürs Erste ganz aus dem Spiel und beschränken uns darauf, zu ergründen, was aus dem Rennpferd geworden ist. Angenommen, es hätte sich vor oder nach dem Trauerspiel losgerissen, wohin könnte es gelaufen sein? – Das Pferd ist ein sehr geselliges Tier. Seinen eigenen Trieben überlassen, würde es entweder nach King’s Pyland zurückgekehrt oder nach Mapleton hinübergetrabt sein. Warum sollte es auf dem Moor in der Irre umherlaufen? Jedenfalls hätte man es dann schon aufgefunden. Auch dass die Zigeuner es gestohlen haben, ist unwahrscheinlich. Diese Leute machen sich immer aus dem Staub, wenn sie von einem Unfall hören, weil sie fürchten, durch die Polizei behelligt zu werden. Verkaufen könnten sie ein solches Pferd doch nicht; wenn sie es aber mit sich führten, würden sie sich nur einer großen Gefahr aussetzen und keinerlei Gewinn davon haben. Das liegt doch auf der Hand.«
»Wo soll es denn aber sein?«
»Wie ich Ihnen schon gesagt habe – es muss nach King’s Pyland oder nach Mapleton gelaufen sein. In King’s Pyland ist es nicht, also ist es in Mapleton. Lass uns diese Annahme fürs Erste festhalten und sehen, wohin uns das führt. Dieser Teil des Moors ist sehr hart und trocken, wie der Inspektor schon bemerkt hat. Aber nach Mapleton zu senkt sich der Boden, und der lange Hohlweg, den wir dort drüben sehen, muss Montagnacht ziemlich nass gewesen sein. Habe ich recht mit meiner Vermutung, ist das Pferd hinübergelaufen, und das ist auch die Stelle, wo wir nach seiner Spur suchen müssen.«
Wir waren während dieses Gesprächs rasch weitergegangen und hatten in wenigen Minuten den Hohlweg erreicht. Holmes bat mich, rechts am Abhang hinunterzusteigen, indessen er sich nach links wandte; noch war ich aber keine fünfzig
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