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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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meist mündlich getroffen, und hier lag kein erdenklicher Grund vor, eine Ausnahme zu machen. Merken Sie denn nicht, Pycroft, dass den Leuten alles daran lag, eine Probe Ihrer Handschrift zu bekommen, was sich auf keine andere Weise erreichen ließ?«
    »Aber wozu denn?«
    »Richtig! – Wozu? Wenn wir darauf die Antwort wissen, sind wir der Lösung unseres Problems um ein gutes Teil nähergerückt. Wozu? – Es kann nur
einen
genügenden Grund dafür geben: Jemand wollte Ihre Handschrift nachmachen und musste sich zu dem Zweck erst eine Probe verschaffen. – Wenn wir nun zu dem zweiten Punkt übergehen, finden wir, dass der eine Licht auf den anderen wirft. – Dieser zweite Punkt ist Pinners Verlangen, dass Sie Ihre Stellung bei Mawson nicht aufkündigen, sondern den dortigen Geschäftsführer in dem Glauben lassen sollten, ein Mr Hall Pycroft, den er niemals gesehen hat, werde sich am Montagmorgen im Kontor einstellen.«
    »Großer Gott«, rief unser Klient, »wie stockblind bin ich gewesen!«
    »Jetzt wird Ihnen auch die Sache mit der Handschrift einleuchten. Jemand, dessen Schrift ganz anders war als die, mit welcher Sie sich um die Stelle bewarben, hätte natürlich gleich sein Spiel verloren. Aber der Spitzbube lernte unterdessen Ihre Schrift nachahmen und sicherte dadurch seine Stellung; vorausgesetzt, dass niemand im Kontor Sie persönlich kannte.«
    »Keine Seele«, stöhnte Pycroft.
    »Natürlich war es von der größten Wichtigkeit, dass Sie nicht noch Ihren Entschluss änderten oder in Beziehung zu irgendjemandem traten, der Ihnen von Ihrem Doppelgänger bei Mawson erzählen konnte. Deshalb erhielten Sie einen anständigen Vorschuss, mussten nach Birmingham reisen und bekamen genug zu tun, damit Sie sich nicht etwa beifallen ließen, nach London zurückzufahren und den Leuten ihr Spiel zu verderben.«
    »Aber weshalb gab der Mensch sich für seinen eigenen Bruder aus?«
    »Oh, auch das ist sehr erklärlich. Augenscheinlich sind nur zwei im Komplott. Der andere stellt Sie im Kontor vor. Der Erste hatte Sie angeworben; um aber einen Arbeitgeber für Sie zu finden, hätte er eine dritte Person in seinen Plan einweihen müssen, was er womöglich vermeiden wollte. Er veränderte also sein Aussehen, soweit es tunlich war, und verließ sich darauf, dass Sie es der Familienähnlichkeit zuschreiben würden, wenn Ihnen die Gleichheit dennoch auffiele, was kaum ausbleiben konnte. Ohne den glücklichen Zufall mit dem plombierten Zahn hätten Sie vielleicht niemals Verdacht geschöpft.«
    Pycroft schüttelte wie verzweifelt seine geballten Fäuste. »Großer Gott«, rief er, »was mag wohl der andere Hall Pycroft dort bei Mawson getan haben, während man mich hier zum Narren hielt! – Was soll aber nun geschehen, Mr Holmes? Sagen Sie mir, was lässt sich tun?«
    »Wir müssen an Mawson telegrafieren.«
    »Am Sonnabend wird das Geschäft schon um zwölf Uhr geschlossen.«
    »Das schadet nichts. Ein Türhüter oder Aufseher ist gewiss da.«
    »Ganz richtig. Es ist dort Tag und Nacht ein Wächter angestellt, wegen der hohen Wertpapiere, die Mawson in Verwahrung hat. Ich habe in der Stadt davon sprechen hören.«
    »Nun gut – wir telegrafieren dem Wächter und erfahren durch ihn, ob alles in Ordnung ist und ob ein Schreiber Ihres Namens dort arbeitet. So weit ist alles klar; unverständlich bleibt nur noch, warum der Spitzbube hier, sobald er uns gesehen hatte, hingegangen ist, um sich aufzuhängen.«
    »Die Zeitung!«, krächzte eine Stimme hinter uns. Der Mensch saß aufrecht da, leichenblass und grauenhaft anzusehen; in seinen Augen konnte man das zurückkehrende Bewusstsein lesen, und er rieb mit den Händen krampfhaft an dem breiten roten Streifen, der noch seinen Hals umzog.
    »Die Zeitung – natürlich!«, rief Holmes und schlug sich vor die Stirn. »Narr, der ich war! So voll hatte ich den Kopf von allem, was hier vorging, dass ich keinen Augenblick an die Zeitung gedacht habe, die doch jedenfalls das Geheimnis enthält.«
    Er breitete das Blatt auf dem Tisch aus und ließ gleich darauf einen Schrei des Triumphs hören.
    »Sieh her, Watson! Es ist eine Londoner Zeitung, das Abendblatt des ›Standard‹. Hier ist, was wir brauchen. Sieh nur die Überschrift: ›Ein Verbrechen in der City. Mord bei Mawson & Williams. Großer Raubversuch. Der Täter ergriffen.‹ – Bitte lesen Sie es uns laut vor, Watson; wir sind alle begierig, Näheres zu erfahren.«
    Der Artikel stand gleich obenan in der Zeitung.

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