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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Mann sei in jenem Teil der Allee auf den Fußspitzen gegangen.«
    »Er sprach nur nach, was ein Dummkopf bei der Untersuchung gesagt hatte. Warum sollte ein Mann auf den Fußspitzen die Allee hinuntergehen?«
    »Was war’s also?«
    »Er rannte, Watson – rannte voll Verzweiflung, rannte in Todesangst, rannte, bis ihn der Herzschlag traf und er tot auf sein Antlitz fiel.«
    »Er rannte – vor was denn?«
    »Da liegt unser Problem. Gewisse Anzeichen sprechen dafür, dass er vor Angst die Besinnung verloren hatte, schon ehe er zu laufen anfing.«
    »Wie können Sie das sagen?«
    »Ich setze voraus, dass die Ursache seines Schreckens über das Moor auf ihn zukam. Wenn dies der Fall war – und alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür –, so konnte nur ein Mann, der die Besinnung verloren hatte, vom Haus weglaufen, anstatt darauf zu. Wenn man die Aussage des Zigeuners als wahr annehmen darf, rannte er, nach Hilfe schreiend, gerade in diejenige Richtung, wo Hilfe am allerwenigsten zu erwarten war. Und weiter, auf wen wartete er in jener Nacht, und warum wartete er auf ihn in der Taxusallee anstatt in seinem Haus?«
    »Sie glauben, er wartete auf jemand?«
    »Der Mann war ältlich und kränklich. Es lässt sich wohl begreifen, dass er abends einen Spaziergang zu machen pflegte, aber der Boden war nass und die Nacht rau. Ist es natürlich, dass er fünf oder zehn Minuten lang auf derselben Stelle stand, wie Doktor Mortimer mit mehr Beobachtungsgabe, als ich ihm zugetraut hätte, aus der Zigarrenasche folgerte?«
    »Aber er ging doch jeden Abend aus.«
    »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er jeden Abend an der Moorpforte gewartet haben sollte. Im Gegenteil, die Zeugen haben bekundet, dass er das Moor vermied. An jenem Abend wartete er. Es war der Abend vor seiner Abreise nach London. Das Ding nimmt Gestalt an, Watson. Es kommt Zusammenhang hinein. Darf ich Sie bitten, mir meine Geige herüberzureichen? Wir wollen alles weitere Nachdenken über die Angelegenheit bis morgen früh verschieben; dann werden ja Doktor Mortimer und Sir Henry Baskerville uns mit ihrem Besuch zu Hilfe kommen.«
V IERTES K APITEL
    Unser Frühstückstisch war schon zeitig abgeräumt, und Holmes wartete in seinem Schlafrock auf den angekündigten Besuch. Seine Klienten waren pünktlich, denn die Uhr hatte gerade zwölf geschlagen, als Doktor Mortimer mit dem jungen Baronet eintrat. Dieser war ein kleiner, lebhafter, dunkelhaariger Mann von ungefähr dreißig Jahren, sehr stämmig gewachsen, mit buschigen schwarzen Augenbrauen und einem scharfgeschnittenen Gesicht, aus dem Kampflust sprach. Er trug einen graurötlichen Sommeranzug und hatte die wetterbraune Gesichtsfarbe eines Mannes, der sich fast immer im Freien aufgehalten hat; trotzdem lag in seinem festen Blick und in der ruhigen Sicherheit seines Auftretens ein gewisses Etwas, was den Gentleman verriet.
    »Dies ist Sir Henry Baskerville«, sagte Dr. Mortimer.
    »Ja, da bin ich, Mr Holmes, und das Seltsame dabei ist, dass ich aus eigenem Antrieb Sie aufgesucht haben würde, wenn mein Freund hier mir nicht den Vorschlag gemacht hätte. Ich höre, Sie sind ein berühmter Rätselrater, und mir ist heute Morgen eins aufgegeben worden, zu dessen Lösung ich nicht die Gabe besitze.«
    »Bitte nehmen Sie Platz, Sir Henry. Wenn ich Sie recht verstehe, sagen Sie, Sie haben seit Ihrer Ankunft in London ein seltsames Erlebnis gehabt?«
    »Nichts von großer Bedeutung, Mr Holmes. Höchstwahrscheinlich nur ein schlechter Spaß. Es handelt sich um diesen Brief – wenn Sie es überhaupt einen Brief nennen wollen; ich bekam ihn heute früh.«
    Er legte einen Briefumschlag auf den Tisch, und wir traten alle heran, um ihn uns näher anzusehen. Es war ein Umschlag von geringer Güte und von grauweißer Farbe. Die Adresse ›Sir Henry Baskerville. Northumberland-Hotel‹ war von einer ungelenken Hand geschrieben; der Poststempel lautete ›Charing Cross‹, und die Marke war am Abend vorher abgestempelt.
    »Wer wusste, dass Sie ins Northumberland-Hotel gehen wollten?«, fragte Holmes mit einem scharfen Blick auf unseren Besucher.
    »Kein Mensch kann das gewusst haben. Wir entschieden uns für dies Hotel erst, nachdem ich Doktor Mortimer getroffen hatte.«
    »Aber Doktor Mortimer wohnte ohne Zweifel bereits dort?«
    »Nein, ich hatte bei einem Bekannten logiert«, sagte der Doktor. »Nichts konnte einen Menschen auf die Vermutung bringen, dass wir in dieses Hotel zu gehen beabsichtigten.«
    »Hm, irgendjemand

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