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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Maschinenschreiberinnen gewöhnlich nicht haben. Diese Dame ist also wohl Musiklehrerin.«
    »Jawohl, Mr Holmes, ich gebe Klavierunterricht.«
    »Auf dem Land, soviel aus Ihrer Gesichtsfarbe hervorgeht.«
    »Jawohl, mein Herr; in der Nähe von Farnham, an der Grenze von Surrey.«
    »Eine schöne Gegend, die interessante Erinnerungen in mir wachruft. Watson, entsinnen Sie sich noch, dass wir dort in der Nähe den Schmied Stamford gefasst haben? Nun, Miss Violet, was ist Ihnen bei Farnham denn passiert?«
    Die junge Dame gab folgende klare und ruhige Schilderung:
    »Mein Vater lebt nicht mehr, Mr Holmes. Er hieß James Smith und war Kapellmeister am alten Königlichen Theater. Meine Mutter und ich hatten weiter keine Verwandte als einen Onkel Ralph Smith. Dieser ist vor fünfundzwanzig Jahren nach Afrika ausgewandert, und wir haben seit jener Zeit kein Wort von ihm gehört. Unser Vater ließ uns in großer Armut zurück, aber eines Tages erfuhren wir, dass in der ›Times‹ ein uns betreffender Aufruf gestanden habe. Sie können sich unsere Aufregung denken, denn wir glaubten, es habe uns jemand ein Vermögen ausgesetzt. Wir gingen sofort zu dem in der Zeitung namhaft gemachten Vertreter. Dort trafen wir zwei Herren, Mr Carruther und Mr Woodley, die zu Besuch aus Südafrika in der Heimat weilten. Sie sagten uns, mein Onkel sei ein Freund von ihnen gewesen und vor einigen Monaten ganz arm in Johannesburg gestorben; er hätte sie noch kurz vor seinem Tod beauftragt, sich nach seinen Verwandten umzusehen und sie vor Not zu schützen. Es kam uns sonderbar vor, dass sich Onkel Ralph, der sich zu seinen Lebzeiten nie um uns gekümmert hatte, noch um unser Wohlergehen nach seinem Tod solche Sorge machen sollte. Mr Carruther klärte jedoch die Sache dahin auf, dass mein Onkel damals erst den Tod meines Vaters in Erfahrung gebracht und dadurch nun ein gewisses Verantwortlichkeitsgefühl gehabt hätte.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Holmes; »wann fand diese Unterredung statt?«
    »Vergangenen Dezember – vor vier Monaten.«
    »Bitte, fahren Sie fort.«
    »Mr Woodley machte auf mich einen höchst unangenehmen Eindruck. Er hatte ein gemeines, pausbäckiges Gesicht mit rotem Schnurrbart und glattgescheiteltem Haupthaar und warf mir die ganze Zeit über freche Blicke zu. Er kam mir vollkommen hässlich und widerwärtig vor – und ich fühlte bestimmt, dass Cyril von einer solchen Bekanntschaft nichts würde wissen wollen.«
    »Aha, Cyril heißt er!«, sagte Holmes lächelnd.
    Die junge Dame errötete und lachte.
    »Ja, Mr Holmes; Cyril Morton ist sein Name, er ist Ingenieur, und wir wollen uns Ende des Sommers verheiraten. Ach Gott, wie bin ich nur auf ihn zu sprechen gekommen? Was ich sagen wollte, Mr Woodley erschien mir äußerst hassenswert, dagegen war mir Mr Carruther, obwohl viel älter, nicht unsympathisch. Er war ein dunkler, blasser Mann mit glattrasiertem Gesicht und von ruhigem Temperament; er hatte gute Manieren und ein angenehmes Lächeln. Er erkundigte sich nach unseren Verhältnissen, und als er erfuhr, dass wir arm seien, machte er mir den Vorschlag, seiner einzigen, zehnjährigen Tochter Musikunterricht zu erteilen. Ich sagte ihm, dass ich meine Mutter nicht gerne allein lassen möchte. Darauf erwiderte er, dass ich sie alle Sonnabende besuchen könnte. Er bot mir hundert Pfund für’s Jahr, gewiss eine noble Bezahlung. Ich willigte schließlich ein und ging hinunter nach Chiltern Orange, ungefähr sechs Meilen von Farnham entfernt. Mr Carruther war Witwer und hatte zur Führung des Haushalts eine sehr achtbare ältere Dame, Mrs Dixon, in seine Dienste genommen. Die Tochter war ein recht liebenswürdiges Kind, und alles schien gut zu gehen. Mr Carruther war sehr gut gegen mich, er war selbst auch musikalisch, und wir haben sehr schöne Abende zusammen verlebt. Jeden Sonnabend ging ich nach Hause zu meiner Mutter in die Stadt.
    Die erste Trübung erfuhr mein Glück durch die Ankunft des Mr Woodley. Er kam zu Besuch auf eine Woche, aber ach! Mir wurde sie länger als drei Monate. Er war ein schrecklicher Mensch, ein furchtbarer Prahlhans bei allen Leuten, aber bei mir am allermeisten. Er machte mir hässliche Liebeserklärungen, renommierte mit seinem Reichtum, wenn ich ihn heiratete, würde ich die herrlichsten Diamanten in ganz London bekommen, und eines Tages endlich, als ich ihm sagte, dass ich nichts mit ihm zu schaffen haben wollte, nahm er mich in seine Arme – er war riesig stark – und schwor, dass

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