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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Entfernung wurde eine Tür zugeschlagen. Ein undeutliches, dumpfes Geräusch drang an unser Ohr und gleich danach der gleichmäßige Ton von schweren Tritten, die schnell näherkamen. Es ging jemand in dem Gang draußen auf uns zu. Die Tür wurde aufgemacht und das elektrische Licht angedreht. Die Tür ging zu, und wir rochen sofort den scharfen Geruch einer starken Zigarre. Nur wenige Meter von uns entfernt marschierte jemand auf und ab. Endlich krachte ein Stuhl, und die Schritte hörten auf. Dann wurde ein Schlüssel in einem Schloss herumgedreht, und bald hörte man das Knittern von Papieren.
    Bis dahin hatte ich noch nicht gewagt, hinauszulugen, aber nun nahm ich den Vorhang vorsichtig auseinander und warf einen Blick durch den unmerklichen Spalt. Dass Holmes die Gelegenheit ebenfalls benutzte, sagte mir der Druck seiner Schulter auf die meinige. Gerade vor uns und beinahe in erreichbarer Nähe erblickten wir den breiten, gekrümmten Rücken von Milverton. Wir hatten uns offenbar stark verrechnet, denn er war gar nicht in der Schlafstube gewesen, sondern hatte in einem abgelegenen Flügel des Hauses, dessen Fenster wir nicht gesehen hatten, in irgendeinem Rauch- oder Billardsalon gesessen. Die Glatze an seinem Hinterkopf leuchtete uns geradezu entgegen. Er hatte sich in seinem rotledernen Stuhl weit zurückgelehnt, die Beine lang ausgestreckt und eine lange, dunkle Zigarre im Mund. Er trug einen rötlichen Smoking mit schwarzem, schmalem Samtkragen und hielt ein großes Aktenstück in der Hand, dessen Inhalt er behaglich studierte, während er gleichzeitig große, blaue Rauchwolken in die Luft blies. Sein gelassenes Benehmen und seine gemütliche Haltung ließen nicht auf baldigen Aufbruch schließen.
    Ich fühlte, wie Holmes meine Hand suchte und sie zuversichtlich drückte, als ob er sagen wollte, dass er sich der Situation gewachsen fühle und noch immer gute Hoffnung habe. Ich wusste nicht genau, ob er bemerkt hatte, was ich von meinem Standpunkt aus nur zu deutlich sehen konnte, dass nämlich die Schranktür nur unvollkommen geschlossen war, was Milverton jeden Augenblick gewahr werden konnte. Ich hatte mir fest vorgenommen, wenn ich an seinem Blick merken würde, dass es ihm aufgefallen sei, sofort hervorzuspringen, ihm die Portiere zur Schlafzimmertür über den Kopf zu werfen, ihn so festzuhalten und das übrige Holmes zu überlassen. Aber Milverton sah gar nicht auf. Er war ganz in seine Papiere vertieft und wandte Blatt um Blatt um. Endlich, dachte ich, wenn er mit dem Schriftstück und der Zigarre zu Ende ist, wird er sich doch in sein Schlafgemach zurückziehen. Aber ehe er noch mit dem einen oder dem anderen fertig war, nahm die Sache eine ganz unvorhergesehene Wendung, wodurch unsere Gedanken in eine vollkommen andere Bahn gelenkt wurden.
    Es war mir aufgefallen, dass Milverton schon mehrere Male nach der Uhr gesehen hatte, und einmal war er auch aufgestanden, war ein paar Schritte auf und ab gegangen und hatte sich ungeduldig wieder gesetzt. Ich ahnte jedoch nicht, dass er um diese Stunde der Nacht noch ein Stelldichein hatte, bis draußen von der Veranda her ein schwaches Geräusch an mein Ohr drang. Milverton ließ sein Schriftstück auf den Tisch sinken und setzte sich auf seinem Stuhl in Positur. Es klopfte leise an die Verandatür, und Milverton erhob sich und öffnete sie.
    »Nun«, sagte er barsch, »Sie kommen nahezu eine halbe Stunde zu spät.«
    Das war also die Erklärung dafür, dass die Tür nicht verschlossen und Milverton noch so spät auf war. Wir hörten das Rauschen eines Frauenkleides. Ich hatte vorhin, als Milverton sich umgedreht hatte, den Vorhang fest geschlossen, aber jetzt wagte ich wieder, ihn behutsam ein wenig auseinanderzunehmen. Er saß noch auf seinem Stuhl vor dem Schreibtisch und hielt die Zigarre taktlos im linken Mundwinkel. Vor ihm stand im hellen Schein des elektrischen Lichtes ein großes, schlankes, dunkles Weib; sie hatte einen dichten schwarzen Schleier vor und einen bis zum Boden reichenden Mantel um. Sie atmete rasch und stark, und jeder Zoll ihrer geschmeidigen Gestalt zitterte vor heftiger Erregung.
    »Nun«, sagte Milverton, »Sie haben mich um ein gutes Stück Nachtruhe gebracht, meine Teure. Ich hoffe, dass Sie das zu schätzen wissen. Konnten Sie nicht zu einer anderen Zeit kommen – he?«
    Die Dame schüttelte mit dem Kopf.
    »Na, wenn’s nicht ging, ging’s eben nicht. Wenn Sie von der Gräfin schlecht behandelt werden, können Sie sich jetzt

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