Sherlock Holmes - gesammelte Werke
dafür rächen. Zum Teufel, warum zittern Sie denn so? Das ist recht! Nehmen Sie sich zusammen! Nun wollen wir das Geschäft abmachen.«
Er wandte sich wieder dem Schreibtisch zu und nahm ein Blatt Papier aus der Schublade.
»Sie sagen, dass Sie fünf Briefe in Ihrem Besitz haben, welche die Gräfin Albert kompromittieren. Die wollen Sie verkaufen. Ich bin ein Abnehmer dafür. Gut, so bleibt nur der Preis noch festzusetzen. Ich muss natürlich erst einen Einblick in die Schreiben nehmen, bevor ich sie Ihnen abkaufe. Wenn sie wirklich von Wert sind – heiliger Himmel, Sie sind’s?«
Das Weib hatte den Schleier vom Gesicht genommen und ihren Umhang zurückgeschlagen. Sie hatte ein dunkles, hübsches, scharfgeschnittenes Gesicht, eine feingebogene Nase, ein Paar blitzende Augen unter starken, schwarzen Brauen und einen geraden, dünnen Mund, um den ein gefährliches, grimmes Lächeln spielte.
»Jawohl, ich bin’s«, antwortete sie; »das Weib, dessen Dasein Sie ruiniert haben.«
Milverton lachte, aber der Klang seiner Stimme verriet seine Furcht.
»Sie waren zu eigensinnig«, versetzte er, »warum haben Sie mich bis zum Äußersten getrieben? Ich versichere Ihnen, dass ich aus eigenem Antrieb keiner Fliege ein Leid antun kann, aber jeder Mann hat sein Geschäft, und was sollte ich machen? Ich habe den Preis durchaus Ihren Verhältnissen entsprechend festgesetzt. Sie blieben aber hartnäckig und wollten nicht bezahlen.«
»So sandten Sie also die Briefe an meinen Gatten und brachen ihm – dem edelsten Mann, der je gelebt hat und dessen Schuhriemen zu lösen ich nicht würdig war – sein edles Herz und trieben ihn in den Tod! Sie werden noch nicht vergessen haben, dass ich Sie vorgestern Nacht an dieser Stelle anflehte und auf den Knien um Barmherzigkeit bat und dass Sie mir ins Gesicht lachten, wie Sie’s eben wieder zu tun versuchen. Nur dass Ihre zuckenden Lippen jetzt die erbärmliche Feigheit Ihres Herzens verraten. Ja, Sie haben nicht geglaubt, mich hier wiederzusehen, aber von jener Nacht her wusste ich, wie ich Sie wieder treffen würde, von Angesicht zu Angesicht und unter vier Augen. Nun, Charles Milverton, was haben Sie zu erwidern?«
»Bilden Sie sich nicht ein, dass Sie mich ins Bockshorn jagen können«, antwortete er und erhob sich. »Ich brauche nur den Mund aufzutun und meine Diener zu rufen und Sie fortbringen zu lassen. Ich will jedoch Ihrem erklärlichen Zorn Rechnung tragen und Sie schonen. Verlassen Sie sofort dieses Zimmer auf demselben Weg, auf dem Sie gekommen sind, weiter sage ich nichts mehr.«
Das Weib blieb stehen, sie hatte die Hand in ihrem Busen vergraben, und ihre dünnen Lippen zeigten wieder dasselbe unheilvolle Lächeln.
»Sie sollen in Zukunft kein Leben mehr zugrunde richten, wie Sie meines zugrunde gerichtet haben. Sie sollen keine Herzen mehr zerfleischen, wie Sie meines zerfleischt haben. Ich will die Welt von einem giftigen Geschwür befreien. Hier haben Sie Ihren Lohn, Sie Hund, hier! – hier! – hier! – hier!«
Sie hatte einen kleinen blitzenden Revolver hervorgezogen und ungefähr einen Fuß vor Milvertons Brust vier Schüsse auf ihn abgefeuert. Er fuhr zurück und fiel über den Schreibtisch, furchtbar keuchend und in den Papieren herumkratzend. Dann richtete er sich in die Höhe, erhielt noch zwei Schüsse und sank zu Boden. »Ich bin getroffen«, rief er. Dann regte er sich nicht mehr. Das Weib sah ihn starr an und versetzte ihm noch einen Fußtritt ins Gesicht. Sie sah ihn wieder an, er gab aber kein Lebenszeichen mehr von sich. Wir hörten eine Tür aufreißen, die kalte Nachtluft wehte in das heiße Zimmer, und die Rächerin war fort.
Wir hätten den Mann durch unser Eingreifen nicht von seinem Geschick erretten können. Aber als das Weib Kugel auf Kugel auf den sich zusammenkrampfenden Körper Milvertons abfeuerte, wollte ich doch hinausspringen. Da fühlte ich meines Freundes starken Arm. Ich verstand, warum er mich mit fester Hand zurückhielt – dass es uns nichts angehe; dass einen Schurken die gerechte Strafe getroffen habe; dass wir uns und unsere eigenen Pflichten und Ziele im Auge behalten mussten. Kaum war die Frau hinaus, als Holmes geschwind an die andere Tür eilte und leise den Schlüssel herumdrehte. Sofort wurden auch Stimmen laut und rasche Schritte hörbar. Der Knall der Schüsse hatte die Dienerschaft des Hauses munter gemacht. In aller Eile ging Holmes an den Schrank, nahm einen ganzen Arm voll Bündel mit Briefschaften heraus
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