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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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letzten drei Tagen nichts erzählt habe, hat es seinen Grund einzig und allein darin, dass ich nichts zu erzählen habe. Selbst diese Nachricht aus Paris wird uns nicht viel helfen.«
    »Sie klärt wenigstens den Tod des Mannes endlich auf.«
    »Der Tod des Mannes ist ein bloßer Nebenumstand – eine ganz gleichgültige Sache – im Vergleich mit unserer wirklichen Aufgabe, die darin besteht, diesem Dokument auf die Spur zu kommen und Europa vor einer Katastrophe zu bewahren. In den letzten drei Tagen ist nur ein wichtiges Ereignis zu verzeichnen, das ist das, dass sich nichts ereignet hat. Ich erhalte fast stündlich Nachricht von der Regierung, und soviel ist sicher, dass nirgends Anzeichen von Beunruhigung vorliegen. Wenn nun dieser Brief abgesandt wäre – nein, er kann nicht abgesandt sein! – aber, wenn er nicht abgesandt ist, wo mag er sein? Wer hat ihn? Warum wurde er zurückbehalten? Diese Fragen hämmern in meinem Gehirn. War es wirklich ein bloßer Zufall, dass Lucas in derselben Nacht vom Tod ereilt wurde, in welcher der Brief weggekommen ist? Hat ihn der Brief noch erreicht? Wenn es der Fall ist, warum befindet er sich dann nicht unter den anderen Papieren? Hat ihn dieses wahnsinnige Weib, seine Frau, mitgenommen? Wenn ja, liegt er in ihrer Wohnung in Paris? Wie könnte ich danach suchen, ohne die französische Polizei argwöhnisch zu machen? Es ist ein Fall, mein lieber Watson, wo die Gesetze uns so gefährlich sind wie die Verbrecher. Es ist alles gegen uns, und doch stehen kolossale Interessen auf dem Spiel. Sollte ich ihn zu einem glücklichen Ende bringen, wird er sicher den Gipfelpunkt meiner Laufbahn bilden. Ah, jetzt kommt meine letzte Rettung!« Er warf einen flüchtigen Blick auf einen Zettel, der hereingebracht wurde. »Hallo! Lestrade scheint eine interessante Entdeckung gemacht zu haben. Setzen Sie den Hut auf, Watson, wir wollen zusammen nach Westminster hinunterwandern.«
    Für mich war es der erste Besuch des Schauplatzes des Verbrechens – es war ein hohes, dunkelgraues, schmales Gebäude im Stil des sechzehnten Jahrhunderts. Im vorderen Fenster hielt Lestrade Umschau nach uns und begrüßte uns herzlich, als uns ein dicker Polizist die Tür geöffnet und hineingeführt hatte. Es war das Zimmer, in dem das Verbrechen begangen worden war, aber jetzt war außer einem hässlichen, unregelmäßigen Blutflecken auf dem Teppich keine Spur mehr davon zu sehen. Es war ein kleiner quadratischer Droguetteppich, der mitten im Zimmer lag, an den vier Seiten war überall der blanke, schöne altmodische Holzfußboden zu sehen. Uber dem Kamin befand sich eine stattliche Sammlung von Waffen, von denen eine in jener verhängnisvollen Nacht gebraucht worden war. Vor dem Fenster stand ein kostbarer Schreibtisch, und das ganze Mobiliar, die Gemälde, die Decken, die Vorhänge, alles zeigte auf einen fast weiblichen Hang zum Luxus hin.
    »Haben Sie die Neuigkeit aus Paris gelesen?«, fragte Lestrade.
    Holmes nickte.
    »Unsere französischen Kollegen scheinen diesmal den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben. Es ist zweifelsohne, wie sie sagen. Sie klopfte an die Tür – ein überraschender Besuch, das geb’ ich zu, denn Lucas hing sehr am Leben. Er machte ihr auf – konnte er sie doch nicht auf der Straße stehen lassen. Sie sagte ihm, wie sie ihn endlich aufgespürt habe, machte ihm Vorwürfe, ein Wort gab das andere, und dann versetzte sie ihm mit dem Dolch, der ihr gerade zur Hand war, den Todesstoß. Es geschah nicht alles in wenigen Augenblicken, natürlich, denn diese Stühle waren alle auf eine Seite gestellt, und einen hielt er noch fest in der Hand, als ob er sie damit abhalten wollte. Uns ist der ganze Vorgang so klar, als ob wir dabei gewesen wären.«
    Holmes zog die Augenbrauen hoch.
    »Und trotzdem haben Sie nach mir geschickt?«
    »Ach so, da ist noch ’ne Sache – ein unwesentlicher Nebenumstand nur, aber von der Sorte, für die Sie eine besondere Vorliebe haben – seltsam, wissen Sie, man könnte fast sagen, wunderbar. Er hat nichts mit der eigentlichen Tatsache zu tun – kann nichts damit zu tun haben.«
    »Und was ist es?«
    »Nun, wissen Sie, bei einem derartigen Verbrechen sorgen wir dafür, dass jedes Ding an seiner ursprünglichen Stelle liegen bleibt. Es ist nichts angerührt worden. Ein uniformierter Beamter war Tag und Nacht hier auf Wache. Heute Morgen, nachdem die Leiche beerdigt und die Untersuchung beendigt war – wenigstens soweit sie sich auf das Zimmer erstreckt

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