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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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stehen.«
    »Was geschah dann also?«
    »Sie wollte sehen, wo das Verbrechen verübt worden war – sie hatte es in der Zeitung gelesen, sagte sie. Sie war ein sehr anständiges, wohlerzogenes Weib, meine Herrn, sodass ich kein Bedenken trug, sie einen Blick ins Zimmer tun zu lassen. Als sie aber den Blutflecken sah, fiel sie um und lag wie tot am Fußboden. Ich lief hinaus und ließ mir etwas heißes Wasser geben, konnte sie damit aber nicht wieder zu sich bringen. Dann holte ich rasch im ›Grünen Baum‹, um die Ecke rum, ein bisschen Branntwein, aber als ich damit zurückkam, hatte sich die junge Dame bereits erholt und war wieder auf – sie schämte sich vor sich selbst, kann ich wohl sagen, und wagte nicht, mir ins Gesicht zu schauen.«
    »Wie war das aber mit dem Teppich?«
    »Nun, mein Herr, er hatte ’n paar Falten, jawohl, als ich zurückkehrte. Seh’n Sie, sie ist drauf gefallen, und er liegt nur so lose, er ist nicht festgemacht. Ich breitete ihn nachher wieder ordentlich aus.«
    »Es ist eine Lehre für Sie, Pherson, Sie sehen, dass Sie mir nichts vormachen können«, sagte Lestrade mit großer Würde. »Sie glaubten sicher, dass Ihre Pflichtverletzung nie ans Licht kommen würde, und doch genügte für mich ein einziger Blick auf den Teppich, um zu wissen, dass Sie jemanden ins Zimmer gelassen hatten. Es ist ein Glück für Sie, lieber Mann, dass nichts fort ist, sonst würden Sie selbst ins Gefängnis marschieren. Es tut mir leid, Mr Holmes, dass ich Sie wegen einer solchen Lappalie hier herunter bemüht habe, aber ich dachte, der Umstand, dass der zweite Flecken nicht unter dem ersten war, würde Sie interessieren.«
    »Allerdings, es war mir auch sehr interessant. Ist die Frau nur einmal hier gewesen, Schutzmann?«
    »Jawohl, Herr.«
    »Wer war sie?«
    »Wie sie heißt, weiß ich nicht. Sie wollte auf ein Inserat wegen Schreibmaschinenschreiben anfragen, und hatte die Hausnummer verwechselt – sehr nett, ’n niedliches, junges Weib, Herr.«
    »Groß? Hübsch?«
    »Ja, Herr; ’n schön gewachsenes Weib. Ich glaube, Sie würden sie als hübsch bezeichnen. Mancher würde sie sogar sehr hübsch finden. ›Oh, Schutzmann, lassen Sie mich doch mal hineingucken!‹, sagte sie. Sie hatte ’ne angenehme, einschmeichelnde Art, und ich glaubte, es hätte keine Gefahr, sie den Kopf durch die Tür stecken zu lassen.«
    »Wie war sie gekleidet?«
    »Sehr einfach, Herr, sie hatte einen langen bis auf die Füße hängenden Mantel an.«
    »Um welche Zeit war’s?«
    »Es war im Dunkelwerden, die Laternen wurden gerade angezündet, als ich mit dem Branntwein zurückkam.«
    »Das genügt mir«, sagte Holmes. »Kommen Sie, Watson, ich glaube, wir haben anderswo Wichtigeres zu tun.«
    Als wir hinausgingen, blieb Lestrade im Zimmer. Der reumütige Schutzmann begleitete uns an die Haustür und ließ uns hinaus. Auf der Treppe drehte sich Holmes um und hielt uns etwas hin. Der Polizist starrte ihn erstaunt an.
    »Heiliger Herr!«, rief er. Holmes legte den Finger auf die Lippen, steckte das Ding wieder in die Brusttasche und fing laut zu lachen an, als wir die Straße hinunterschritten. »Großartig!«, sagte er dann. »Kommen Sie, lieber Freund, der Vorhang hebt sich vor dem letzten Akt. Sie werden erleichtert aufatmen, wenn ich Ihnen sage, dass es keinen Krieg geben, dass der Staatssekretär Trelawney Hope nicht in seiner Karriere behindert werden, dass jener impulsive indiskrete Monarch für seine Indiskretion nicht bestraft werden, dass der Premierminister keine europäische Komplikation zu zerstreuen haben wird, und dass bei etwas Takt und Geschicklichkeit auf unserer Seite niemand durch diese hässliche Geschichte zu leiden hat.«
    Ich empfand von Neuem eine große Bewunderung für diesen außerordentlichen Mann.
    »Sie haben das Rätsel also gelöst!«, rief ich aus.
    »Das will ich noch nicht sagen, Watson. Einige Punkte sind noch so dunkel wie vorher. Aber wir haben so viel raus, dass es unsere eigene Schuld wäre, wenn wir das Übrige nicht auch noch fänden. Wir wollen direkt zur Whitehall Terrace gehen und die Sache zur Entscheidung bringen.«
    Als wir im Haus des Staatssekretärs des Auswärtigen anlangten, fragte Holmes nach der Dame des Hauses. Wir wurden darauf in ihr Empfangszimmer geführt.
    »Mr Holmes!«, sagte sie entrüstet. »Das ist sicher nicht schön und kavaliermäßig von Ihnen gehandelt. Ich bat Sie, wie Sie wissen, meinen Besuch bei Ihnen geheim zu halten, damit mein Gemahl nicht

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