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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Unentschlossenheit glitt einen Augenblick über ihr Gesicht; aber ihre Augen hatten bereits wieder ihren harten kalten Glanz gewonnen, als sie mir antwortete:
    »Sie legen meinen Worten eine zu große Bedeutung bei, Herr Doktor. Meinem Bruder und mir ging Sir Charles’ Tod sehr nahe. Wir hatten sehr vertrauten Umgang mit ihm, denn sein Lieblingsweg führte ihn über das Moor nach unserem Haus. Er fühlte sehr tief den Fluch, der über seinem Geschlecht hing; als dann sein tragisches Ende kam, da hatte ich den ganz natürlichen Eindruck, seine oftmals geäußerten Befürchtungen könnten nicht ganz unbegründet gewesen sein. Es machte mir daher Angst, dass wiederum ein Angehöriger seines Geschlechtes hier wohnen wollte, und ich hatte das Gefühl, ich müsste ihn vor der ihm drohenden Gefahr warnen. Weiter beabsichtigten meine Worte nichts.«
    »Aber worin besteht die Gefahr?«
    »Sie kennen die Geschichte von dem Hund?«
    »An solchen Unsinn glaube ich nicht!«
    »Aber ich! Wenn Sie irgendwelchen Einfluss auf Sir Henry haben, bringen Sie ihn weg von einem Ort, der seinem Geschlecht stets verhängnisvoll gewesen ist. Die Welt ist groß. Warum soll er denn gerade an einem so gefährlichen Ort leben wollen?«
    »Eben weil der Ort gefährlich ist. Das ist Sir Henrys Natur. Ich befürchte, wenn Sie mir keine bestimmtere Auskunft geben, werde ich ihn keinesfalls zum Fortgehen bewegen können.«
    »Irgendetwas Bestimmtes kann ich nicht sagen, denn ich weiß nichts.«
    »Ich möchte an Sie noch eine Frage richten, Miss Stapleton. Wenn Sie mit Ihren ersten Worten, die Sie zu mir sagten, nur eine so unbestimmte Warnung beabsichtigten, warum waren Sie denn so ängstlich besorgt, Ihren Bruder nichts davon hören zu lassen? Es liegt in ihnen nichts, wogegen er oder sonst ein Mensch etwas einwenden könnte.«
    »Meinem Bruder liegt viel daran, dass Baskerville Hall bewohnt ist; er glaubt, das sei zum Vorteil unserer armen Moorleute. Er würde sehr ärgerlich sein, wenn er wüsste, dass ich irgendetwas sagte, was Sir Henry zum Fortgehen veranlassen könnte ... Aber ich habe jetzt meine Pflicht getan und will nichts mehr sagen. Ich muss jetzt nach Hause; sonst merkt er, dass ich fort war, und wird mich im Verdacht haben, dass ich mit Ihnen gesprochen habe. Leben Sie wohl!«
    Sie drehte sich um und war in wenigen Minuten hinter den Granitblöcken verschwunden. Ich dagegen setzte meinen Weg nach Baskerville Hall fort, das Herz von unbestimmten Befürchtungen erfüllt.
A CHTES K APITEL
    Von jetzt an will ich dem Gang der Ereignisse anhand meiner an Sherlock Holmes gerichteten Briefe folgen. Sie liegen vor mir auf meinem Schreibtisch. Ein Blatt fehlt; sonst aber teile ich sie genau so mit, wie sie geschrieben wurden, denn sie geben meine wechselnden Gefühle und Verdachtsgründe getreuer wieder, als es meinem Gedächtnis möglich wäre, obwohl auch dieses die tragischen Ereignisse klar und deutlich aufbewahrt hat:
    Baskerville Hall, den 13. Oktober.
    Mein lieber Holmes,
    meine bisherigen Briefe und Depeschen haben Sie so ziemlich auf dem Laufenden gehalten, und Sie wissen wohl alles, was in diesem höchst gottverlassenen Erdenwinkel vorgeht. Je länger man hier bleibt, desto tiefer drückt sich der Geist des Moors der Seele ein, seine Ode und auch sein schauriger Reiz. Hat man sich ihm einmal zu eigen gegeben, ist man vom modernen England völlig abgeschnitten; dafür lernt man aber die Wohnstätten und den Tageslauf des vorgeschichtlichen Menschen umso genauer kennen. Wohin man geht, überall stößt man auf die Häuser dieses längst verschollenen Volkes, auf ihre Gräber und die großen Steinblöcke, die man für die Markstätten ihrer Tempel hält. Sieht man ihre grauen Steinhütten an den Hügelabhängen, vergisst man die Zeit, worin man selber lebt; und käme aus der niederen Tür ein fellbehangener, behaarter Mann herausgekrochen, der seinen Pfeil mit Flintsteinspitze auf die Bogensehne legte – seine Anwesenheit würde einem ganz natürlich vorkommen. Das Sonderbarste ist die Frage, wie sie so dicht gedrängt auf einem Boden haben leben können, der zu allen Zeiten höchst unfruchtbar gewesen sein muss. Ich bin kein Altertumsforscher, aber ich möchte glauben, sie waren ein unkriegerisches, von vielen Feinden geplagtes Volk, das wohl oder übel mit dem zufrieden sein musste, was kein anderer begehrte.
    Doch dies alles hat mit der mir von Ihnen übertragenen Sendung nichts zu tun und wird wahrscheinlich Ihrem streng aufs

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