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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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Halsschmerzen zum Gurgeln taugte – sei es nun
Rye Whisky
, der aus Roggen,
Malt Whisky
, der aus Malz, oder
Bourbon
, der aus Roggen, Mais und Malz gebrannt wurde. Der Grund dafür lag auf der Hand: Nichts ging über gutes, urwüchsiges Gerstenmalz von den Inseln.
    Weibspersonen hätten diese Unterhaltung sicherlich als ermüdend empfunden, aber glücklicherweise waren bei unserer Reise keine Vertreterinnen des schönen Geschlechts anwesend. Andererseits bekam ich regelmäßig Gähnanfälle, und die Augenlider wurden mir schwer, wenn wir in unserem Londoner Haus eine Salongesellschaft gaben. Dann pflegten die Damen über solch spannende Themen wie die Stickmuster auf Taschentüchern, die Vorzüge von Lavendelsäckchen im Wäscheschrank oder die Geheimnisse des jugendlichen Aussehens von Victoria Mary Augusta Louise Olga Pauline Claudine Agnes von der Teck, besser bekannt als die Gemahlin von Georg V. – also die britische Königin – schwafelten.
    Schließlich wechselte Holmes das Thema und stellte mir eine höchst alberne Frage: »Sag mal, mein lieber Watson, glaubst du an Zufälle?«
    Entgegen meinen sonstigen Gepflogenheiten hatte ich gleich eine passende Antwort parat und entgegnete im scherzhaften Ton: »Sicherlich. Unser gesamtes Leben besteht aus einer einzigen Kette von Zufällen. Ich will dir ein prägnantes Beispiel nennen: Ein völlig unbedeutender Gemüsehändler, nennen wir ihn William Blacksmith, wohnt noch bei seinen Eltern. Er bekommt grundlos Streit mit seiner Mutter. Darob verärgert geht er äußerst mürrisch seinem Tagwerk nach. Seine schlechte Laune bessert sich nicht. Um sich abzureagieren, schlägt der missmutige Krämer schließlich sein armes Pferd. Der völlig ahnungslose Gaul bekommt einen Schreck, bockt und bricht aus. Der Karren kommt ins Schlingern. Mehrere Obstkisten fallen herunter und zerbrechen. Die Trümmer blockieren die Gleise. Die Straßenbahn, in der ich gerade sitze, muss deshalb mitten auf freier Strecke halten. Die Minuten verrinnen, bis endlich das Hindernis beiseitegeräumt wird. Nun kann die Elektrische den Fahrplan nicht mehr einhalten. Sie verspätet sich um einiges. Deshalb verpasse ich meinen Anschluss. Der nächste Omnibus lässt auf sich warten. Der Schweiß rinnt mir den Nacken herab, aber ich kann nichts an meinem Schicksal ändern. Ich bin längst weit über der Zeit. Erst zu vorgerückter Stunde erscheine ich bei meinem äußerst wichtigen Termin. Aber der potenzielle Geschäftspartner war in großer Eile. Er ist bereits wieder gegangen. Der sicher geglaubte Auftrag geht mir durch die Finger. Ein finanzieller Engpass ist die Folge. Meine Frau macht mir bittere Vorwürfe. In meinem Zorn schnauze ich die Dienstboten an. Unsere Haushälterin ist die Mutter vom Gemüsehändler. Sie fühlt sich zu Recht beleidigtund rennt wütend nach Hause. Dort beginnt sie einen Streit mit ihrem Sohn. Dieser geht darob verärgert seinem Tagwerk nach. Und so weiter und so fort. Der Kreis hat sich erneut geschlossen.«
    Holmes kicherte vergnügt. »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, mein lieber Freund. Es gibt nämlich gar keine Zufälle. Bei genauer Betrachtungsweise aller auf den ersten Blick wahllos erscheinenden Ereignisse stellt sich heraus, dass wir nur zu wenig Informationen hatten, um eine exakte Vorhersage treffen zu können. Dein formidables Beispiel illustriert das sehr deutlich. Falls du nämlich gewusst hättest, welche Folgen es nach sich ziehen würde, deine Haushälterin grundlos zu kujonieren, wärst du eine Straßenbahn früher gefahren und ein gemachter Mann geworden. Möglicherweise.«
    »Oder ich hätte die gute Mrs. Blacksmith erst gar nicht angeranzt und später dann erfahren müssen, dass mein Geschäftspartner ein ausgemachter Halunke war, der mich nur um mein Geld betrügen wollte. Aber deine philosophischen Reflexionen kommen dir doch nicht rein zufällig in den Sinn. Auf diese Weise willst du mich auf das Ziel unserer heutigen Reise einstimmen, nicht wahr?«
    Mein Freund schmunzelte. »Wir sind bereits wie ein altes Ehepaar, bei dem jeder Partner mühelos die Gedanken des anderen lesen kann. In der Tat, mein lieber Doktor. So soll es sein. Wir sind dabei, dem verschlungenen Weg eines roten Fadens zu folgen, der uns an seinem Ende höchstwahrscheinlich zu Colonel Moran und seiner Bande führen wird. In der Bibliothek vom Börsenverein bin ich auf die entscheidenden Hinweise gestoßen. Sie waren in mehreren Artikeln und Anzeigen versteckt. Sagt

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