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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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beide zu kichern. Holmes rückte sich seine Offiziersmütze zurecht, und wir reihten uns ein in den stetigen Strom der Passanten, der in Richtung Johannstraße unterwegs war.
    [ 1 ] Zerstörung der Gelenkflächen durch zu starke Belastung.
    [ 2 ] Gelenkdegeneration infolge einer Entzündung.
    [ 3 ] Eine fettartige Substanz, die sich im flüssigen Zustand in Hohlräumen unter der Haut des Pottwals findet und nach dessen Tod kristallisiert. Sie besteht hauptsächlich aus Palmitinsäurecetyläther und lässt sich mit anderen Substanzen mischen.
    [ 4 ] 4.046,90 Quadratmeter
    [ 5 ] Edgar Allan Poe,
Der entwendete Brief

D ER G EHEIME P OLIZEIRAT
    Aus den Aufzeichnungen von Dr. Watson
    23.10.1913, Dresden
    Bis zur Polizeidirektion war es nicht weit. Auf dem Weg dorthin redete ich auf meinen Freund ein wie auf einen kranken Schimmel. Vergeblich; er verhielt sich störrischer als ein Maultier. Er wollte sich partout nicht von seiner höchst albernen Karnevalsuniform trennen.
    Schließlich gab ich zu bedenken: »Du hast nicht die geringste Ahnung, ob die Russen in Sachsen beliebt sind oder nicht. Ich glaube aber, sie sind es eher weniger, wie das Beispiel unseres Vermieters zeigt. Wir kennen hingegen den Grund, weshalb die Deutschen ständig irgendwelche Kriege angezettelt haben. Das taten sie, weil sie Ausländer nicht leiden können. Da ist es bis zur Russophobie nur ein kleiner Schritt.«
    »Da irrst du dich gewaltig. Die Deutschen sind der Russomanie verfallen, und zwar schon seit langer Zeit! Den Grundstein für die Verehrung dieser ostslawischen Völkerscharen hat die deutsche Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst-Dornburg gelegt, als sie im Jahr 1762 zur russischen Zarin gekrönt wurde. Sie ging als Katharina die Große in die Weltgeschichte ein. Sie ist die einzige Frau und Herrscherin in den Annalen, der dieser Beiname jemals verliehen wurde«, entgegneteer. »Darüber hinaus wurde die großherzogliche Prinzessin Victoria Alix von Hessen-Darmstadt, deren Cousin kein Geringerer als der deutsche Kaiser Wilhelm II. ist, durch ihre Heirat mit Nikolai II. am 26. November 1894 zur neuesten russischen Zarin. Alexandra Fjodorowna ist eine Deutsche. Deshalb haben die Deutschen die russische Seele für sich entdeckt und verschlingen die dicksten Schwarten von Puschkin, Tolstoi und Gogol.«
    »Wieso hört die Zarin neuerdings auf den Namen Alexandra und nicht mehr auf Victoria?«
    »Das hochwohlgeborene, sanfte Mütterchen hat aus Liebe zu ihrem Mann alle ihre Vornamen ändern lassen. Ferner ist sie vom lutherischen zum russisch-orthodoxen Glauben übergetreten. Zar Nikolaus II. wiederum spricht fließend Deutsch. Russland ist damit fast so etwas wie eine deutsche Kolonie geworden. Ohnehin besteht das halbe russische Offizierskorps aus Deutsch-Balten. Beispielsweise stand der Admiral Ferdinand Baron von Wrangel als Weltumsegler im Dienste des Zarenreichs. Nach ihm wurden unter anderem zwei Inseln, ein Gebirgszug, ein Vulkan und eine Stadt benannt.« [ 1 ]
    »Das mag ja alles sein. Trotzdem ist es mehr als unklug, in einer russischen Offiziersuniform durch Dresdens Gassen zu stolzieren, weil du damit sämtliche Blicke auf dich ziehst.«
    »Unfug. Sieh, dort drüben, da läuft ein Mann in einer dunkelblauen Kapitänsuniform, und kein Mensch beachtet ihn.«
    Auf diese Weise hätten wir unser Streitgespräch noch ellenlang fortsetzen können, weil wir beide unsere emotional gefärbten Ansichten nicht mit stichhaltigen Fakten untermauern konnten.
    Schließlich kam mir der Zufall zu Hilfe. Beim Vorbeigehen entdeckte ich an einer Litfaßsäule einen Anschlag. Auf demPlakat stand geschrieben, dass am 24. Oktober, also bereits am nächsten Abend, das weltberühmte Moskauer Nalimoff-Balalaikaorchester unter der Leitung des bekannten Kapellmeisters Sergej Arkadjewitsch Lunatscharski im Centraltheater in der Waisenhausstraße gastieren würde.
    Ich deutete auf den Aushang und sagte: »Was wirst du tun, mein Freund, wenn dir der Herr Kapellmeister höchstpersönlich auf der Straße begegnet und dich in seiner Heimatsprache anredet? Wie viele russische Worte stehen dir für die Konversation zur Verfügung? Oder wirst du antworten: Ich stamme zwar aus der Ostseeprovinz Estland, aber ich spreche kein Russisch, sondern nur die Tallinner Amtssprache, nämlich Deutsch, dies wiederum jedoch nicht mit baltischem, sondern mit britischem Akzent?«
    Holmes machte ein ärgerliches Gesicht. »Jetzt kommst du mir mit Logik, Sportsfreund, das ist unfair.

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