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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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seinen Berichten sehr einprägsam beschrieben, unter welchen organisatorischen Mängeln Scotland Yard leidet. Trotzdem haben wir meistens eine Lösung gefunden, denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.«
    »Wir sprachen über die Regel, nun reden wir von der Ausnahme. Im Jahr 1887 fand die erste gemeinsame Polizeikonferenz der deutschen Bundesstaaten statt. Elf Landesregierungen entsandten ihre Vertreter. Als Folge davon wurde in Preußen mit königlichem Erlass vom 18. Januar 1899 das Amt von Bezirkspolizeikommissarien eingeführt. Sie sind Hilfsorgane der Regierungspräsidenten in Angelegenheiten der Landespolizei und haben den Rang von Polizeiinspektoren. In Sachsen wird ebenfalls an der Übernahme dieses Systems gearbeitet, jedenfalls rein theoretisch. Sechzehn Jahre sindbereits vergangen. Bis zur Realisierung können wir mit weiteren sechzehn Jahren rechnen. In Berlin ist vor einigen Jahren eine Reichszentrale für Personenidentifizierung und Erkennungsdienste entwickelt worden, die ein Gesamtregister aller in Deutschland aktiven Verbrecher führt. Diese Reichszentrale unterstützt auf Wunsch die Bundesstaaten und kooperiert auch mit anderen Ländern. Sie führt jedoch keine eigenen Ermittlungen durch und besitzt keinerlei Kompetenzen, ganz im Gegensatz zu den Amerikanern, die…«
    ». . . vor fünf Jahren ein Büro der Investigation als Bundesbehörde gegründet haben«, ergänzte Holmes.
    »Ganz genau. Ich kann und werde selbstverständlich Ray Morti in unserem eigenen Archiv und von der Reichszentrale überprüfen lassen. Doch falls diese Anfragen negativ ausfallen sollten, sind mir vorerst die Hände gebunden. Wie ich bereits ausführte, kann ich erst dann tätig werden, wenn mir konkrete Beweise vorliegen. Dann allerdings ist höchste Eile geboten. Sobald Ihr Freund nämlich die Gemarkungsgrenze vom Dresdener Stadtgebiet überschreitet und in eine Nachbargemeinde flüchtet, wird automatisch eine andere Polizeibehörde für den Fall zuständig, die auch eifersüchtig darüber wacht, dass ihr niemand in die Quere kommt. Dieses System hat sich über die Jahre bestens bewährt. Sagt jedenfalls unser Innenminister in seinen öffentlichen Ansprachen. Die Kriminalstatistik liest sich positiv, denn was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. So weit so gut. Oder auch nicht. Auf jeden Fall kennen Sie nun den Rahmen, in dem Sie sich bewegen können.«
    Ich überlegte, ob ich dem Geheimen Polizeirat von meiner Begegnung mit den Taschendieben auf dem Altmarkt berichten sollte, entschied mich dann aber dagegen. Irgendwann später würde sich bestimmt eine bessere Gelegenheit dafür bieten.
    Winfried von Lauschbach-Hecker sprach weiter: »Doch nun zu Ihnen, mein lieber Sherlock Holmes. Sie sollen ein Meister der Beobachtungsgabe sein. Was fällt Ihnen auf Anhieb zu meiner Person ein?«
    Mein Freund schmunzelte. »Das ist kein Problem. Also: Sie wurden 1877 in Crimmitschau geboren. Ihr Vater besaß dort eine Tuchmanufaktur. Sie haben an der Universität in Jena den Studiengang der Jurisprudenz belegt, waren aber kein Mitglied in einer schlagenden Verbindung. Sie führen den Titel eines Dr. jur. und befinden sich seit dem Jahr 1903 im Polizeidienst.«
    Der Geheime Polizeirat Winfried von Lauschbach-Hecker lachte schallend. »Das ist ein guter Trick, den muss ich mir merken. Sie haben sich also vor unserem heutigen Gespräch die neueste Ausgabe des Zeitgenossenlexikons aus dem Leipziger Degener-Verlag
Wer ist was in Deutschland
zu Gemüte geführt. Äußerst lobenswert! Aber nun verraten Sie mir bitte noch einige Details, die Sie nicht aus dem Buch haben.«
    »Sie tragen zwar einen Ehering, aber Sie sind entweder nicht verheiratet oder Ihre Frau hat Sie verlassen.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »An Ihrem Gehrock ist der zweite Knopf von oben mit einem braunen Faden angenäht worden. Das wäre in einem guten Haushalt, in dem eine Frau das Kommando führt, nie passiert.«
    »Eins zu null für Sie, Holmes. Meine Frau hat es unserer über alles geliebten und verehrten Kronprinzessin Luise gleichgetan und ist durchgebrannt, allerdings nicht mit einem Hauslehrer, sondern mit meinem besten Freund. Beziehungsweise mit meinem ehemals besten Freund, um es präzise zu sagen. So viel zur Erklärung. Fahren Sie bitte fort.«
    »Trotzdem Sie sich dem Fechtboden fernhalten, stehen Sie anderen Leibesübungen nicht ablehnend gegenüber. Ich würde sagen, Sie gehen regelmäßig rudern.«
    »Woran können Sie das erkennen?«
    »An Ihren

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