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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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ich mir überhaupt keine Sorgen machen muss. Es kann nicht das Geringste passieren. Außer, wir werden zuerst entführt, hernach ausgiebig gefoltert und schließlich ermordet. Vielleicht haben wir auch Glück. Dann wird uns die Streckbank erlassen, und wir werden gleich umgebracht.«
    »Du verhältst dich völlig richtig. Ich bin stolz auf dich. Unser Motto kann nur lauten: Rechne immer mit dem Schlimmsten, das schärft die Sinne.«
    »Auf welche waghalsigen Abenteuer willst du dich denn einlassen, während ich die Stadt erkunde? In die Villa oder in die Fabrik von Ray Morti einbrechen, um nach der Luftbüchse zu suchen?«
    Holmes lächelte. »Nein, nichts von alledem. Zunächst werde ich in bewährter Manier mein Äußeres gründlich verändern und gut getarnt die Gegend um die Borsbergstraße erkunden. Ich will dort ganz in der Nähe eine möblierte Wohnung anmieten, die unser Stützpunkt und Hauptquartier sein soll. In der Zeitung habe ich bereits mehrere passende Inserate gefunden. Eine Privatunterkunft ist für uns sicherer, als es jedes Hotel sein könnte. In Berlin hat uns Colonel Moran problemlos im
Adlon
aufgespürt. Hier in seiner neuen Heimat würde ihm das sicherlich ebenso gut gelingen. Selbst solche Absteigen wie der
Fremdenhof zum Schwedenkönig
sind auf Dauer nicht sicher.«
    *
    Eine gute halbe Stunde vor dem verabredeten Zeitpunkt kam ich mit einer gelben Straßenbahn der Linie 20 auf dem Altmarkt an. Gleich auf den ersten Blick konnte ich feststellen, dass Holmes einen ausgezeichneten Treffpunkt ausgewählt hatte. Inmitten der vielen Menschen, die dort zu dieser Zeit unterwegs waren, ging ich unter wie ein Fisch im Wasser.
    Der große, gepflasterte Platz besaß die Ausdehnung von schätzungsweise einem Acre [ 4 ] . Ihn umstanden zahlreiche pompöse Bürgerhäuser, deren Dächer und Fassaden mit allerhand allegorischen Figuren, Erkern und Türmchen versehen worden waren. Parterre befanden sich viele noble Geschäfte und gute Restaurants. In den Etagen darüber residierten diverse Firmen wie Strohhut-, Krawatten-und Klavierfabriken, deren Reklameaufschriften an den Giebelwänden über mehrere Geschosse liefen.
    Auf dem Platz selbst herrschte ein quirliges Treiben wie in einem Ameisenhaufen. Fußgänger eilten in die Kreuz und in die Quer, Droschken rollten heran und fuhren wieder ab, Händler schoben ihre Karren von da nach dort. An einem guten Dutzend überdachter Marktstände wurde Obst und Gemüse feilgeboten.
    Das Siegesdenkmal in der Mitte des Platzes war ein naturalistisches Standbild in Form einer übermannsgroßen Dame, die auf einer hohen Säule Ausschau hielt. In meinem Stadtplan stand vermerkt, dass sie
Germania
genannt wurde. Sie stellte eine Mischung aus Schlachtenjungfrau und treusorgendem Mütterchen dar. In der linken Hand hielt sie einen Schild und in der rechten einen mit dem Siegerkranz gekrönten Speer. Der Sage nach war diese Walküre auf der Suche nach einem Helden. Wie es schien, hatte sie ihn noch nichtgefunden. Vier Grazien hockten zu ihren Füßen, konnten ihr aber auch nicht helfen.
    Weil ich nicht als ein Tourist unterwegs war, der sich mit seiner Reisegesellschaft treffen wollte, hielt ich mich so weit wie möglich vom Denkmal fern, um nicht aufzufallen. Mehr noch: Ich versuchte, mich unsichtbar zu machen. Zu diesem Zwecke postierte ich mich ganz am Rand vom Altmarkt im Schatten einer Balustrade. So hatte ich alles im Blick, wurde aber selbst kaum bemerkt. Doch mein Vorhaben misslang: Denn ebenso, wie ich meine Umgebung gründlich in Augenschein nahm, wurde ich selbst beobachtet und taxiert. Sehr bald schon weckte ich die Neugierde von Taschendieben. Die erste Abordnung kam zu zweit. Wie aus dem Boden gestampft standen sie plötzlich vor mir: Zwei junge Kerle, die sehr nett und freundlich wirkten. Der größere von beiden hielt einen Zettel in der Hand und tat so, als würde er sich nach einer Adresse erkundigen wollen. Das war ein uralter Trick. Er wollte mich nur ablenken, damit der andere heimlich zugreifen und mir meine Brieftasche entwenden konnte.
    Ich wendete ein wirksames Mittel an. Ich bleckte meine Zähne, sah dem Lumpenpack fest in die Augen und fauchte es wütend an: »Haut auf der Stelle ab oder es gibt Saures!« Dazu schwenkte ich drohend meinen Knotenstock und ließ (damit keine Missverständnisse aufkommen konnten) den mit Blei gefüllten Knauf laut in die offene linke Hand klatschen. Das wirkte sofort. Die beiden Ganoven trollten sich wie erwartet, wobei

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