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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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Sie über mich. Ich werde Ihnen im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen.«
    Holmes erzählte ihm daraufhin die gesamte Geschichte. Er begann mit der Schilderung diverser Verbrechen, die Professor Moriarty begangen hatte, erwähnte den Zweikampf an den Reichenbach-Fällen, berichtete schließlich über das Attentat im Leipziger Hauptbahnhof und endete mit den Vermutungen über die wahre Identität des Zigarettenfabrikanten Ray Morti.
    »Das klingt alles sehr logisch. Welchen Part in der Geschichte soll ich nun aber übernehmen?«
    »Auf uns ist geschossen worden. Wir benötigen die Hilfe und die Unterstützung der Polizei.«
    »Sehen Sie, und die genau kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht geben«, erwiderte unser Gastgeber. »Kennen Sie sich mit der Staatsverfassung und der Gesetzeslage im Königreich Sachsen aus?«
    »Nicht besonders gut, muss ich Ihnen zu meiner Schande gestehen. Wir sind erst zum zweiten Mal in Deutschland und hatten nur wenig Gelegenheit, uns mit der Legislative und Exekutive zu beschäftigen.«
    »Dann will ich Ihnen zuerst eine kurze Vorlesung in Landeskunde halten: Das Königreich Sachsen ist eine konstitutionelle Monarchie und damit ein vollwertiges Mitglied im Deutschen Reich. Im Bundesrat besitzt es vier Stimmen, in den Reichstag kann es 23 Vertreter entsenden. Unser König heißt Friedrich August III. Er wurde am 25. Mai 1865 in Dresden geboren. Im Jahr 1891 hat er, damals war er noch der Thronfolger, die Prinzessin Luise von Österreich-Toskana geheiratet. Sie bekam sieben Kinder von ihm. 1902 branntedie Kronprinzessin mit einem Hauslehrer nach Genf durch. Verständlicherweise gab einen riesigen Skandal. Unser damaliger König Georg, also der Vater von Friedrich August III., war ein harter Mann, der keinen Widerspruch duldete. Er fühlte sich tief getroffen. Am liebsten hätte er seine Schwiegertochter auf der Stelle hinrichten lassen, aber das ging nicht. Stattdessen musste er sich etwas anderes einfallen lassen. Kurzerhand richtete er einen Sondergerichtshof ein. Von dieser völlig neuen Instanz wurde am 11. Februar 1903 die Ehe zwischen seinem Sohn und der Kronprinzessin geschieden. Dies geschah hinter verschlossenen Türen und ohne Anhörung der Beteiligten – trotzdem die Ehe katholisch geschlossen worden war und eigentlich nur hätte im Himmel durch den weisen Ratschluss des Allmächtigen beendet werden können. 1904 verstarb der verbitterte König Georg von Sachsen. Friedrich August III. rückte ihm auf dem Thron nach. [ 2 ] Aus verständlichen Gründen besteht seit dieser Zeit im sächsischen Herrscherhaus eine ungeheure Phobie vor Skandalen. Es wird alles, aber auch wirklich alles vermieden, was dem guten Ruf des Königs und dem des Landes in irgendeiner Weise schaden könnte. Wenn es irgendwie geht, werden sämtliche Affären unter den Teppich gekehrt.« Kurz schien er sich zu besinnen, dann führte er aus: »Das bedeutet auf Ihren Fall bezogen, meine Herren, dass ich auf einen bloßen Verdacht hin nicht tätig werden kann, nicht tätig werden darf. Ich benötige stichhaltige Beweise. Sobald Sie mir diese geliefert haben, schicke ich eine Hundertschaft uniformierter Schützen los, um die Schurken dingfest zu machen. Aber vorher geht es nicht. Nun noch ein Wort zur Struktur in unserem Land. Sie unterscheidet sich nämlich fundamental von jenen Verhältnissen, die Sie bei sich in London gewohnt sind. Die Polizei im Königreich Sachsen hat zwei Säulen. Das istzum einen die Landespolizei, und das sind zum anderen Hunderte Ortspolizeien. Die Landespolizei untersteht dem Innenministerium, währenddessen die Ortspolizeien von den Gemeinden betrieben werden. Diese lokalen Wachen unterliegen selbstverständlich auch dem allgemeinen Reichs-Kriminalrecht und dem damit verbundenen Strafgesetzbuch. Doch die ergänzenden örtlichen Polizeivorschriften werden von den jeweiligen Landräten erlassen. Dabei wird von Region zu Region zwischen Polizeiagenten, Inspektoren, Kommissaren, Polizeioffizianten, Polizeidienern, Gendarmen und Schutzleuten unterschieden. Mit anderen Worten: Dieses wunderbare Gebäude, in dem wir uns hier befinden, täuscht darüber hinweg, dass wir in Sachsen noch die Kleinstaaterei haben. Das größte Verbrechen, dessen sich jemand in unserem Königreich schuldig machen kann, ist das der Kompetenzüberschreitung.«
    Holmes unterbrach ihn: »Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Mein Freund Dr. Watson hat in

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