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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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Aber knapp überredet. Wo du recht hast, hast du recht.«
    In der Kleinen Kirchgasse entdeckten wir ein Kellerlokal, in dem mit guten, gebrauchten Kleidern gehandelt wurde. Holmes gab seine russische Uniform in Zahlung und erstand eine sowohl robuste als auch qualitativ hochwertige Gewandung, die ich mit den Worten »Landjunkers Sonntagsstaat« umschreiben würde: Das neue Kostüm bestand aus melierten, wadenlangen Schlumperhosen (sogenannte Knickerbocker), einer dazu passenden, kurzen Jacke mit abgerundeten Schößen und Taschen, derben, seitlich geschnürten Halbschuhen und grob gestrickten Wollsocken mit Bommeln an den Seiten. Dazu gab es einen grauen Fedora-Filzhut, der längs der Krone nach unten geknickt und an der Krempe beidseitig eingeknifft war. Komplettiert wurde dieses ungewöhnliche Ensemble von einem wallenden, schwarzen Umhang mit Überwurf.
    Ich musterte meinen Freund von oben bis unten und meinte anerkennend: »Wenn du nun noch eine Botanisiertrommel umschnallst und ein Schmetterlingsnetz in die Hand nimmst, siehst du perfekt aus.«
    Holmes warf mit einem hölzernen Schuhspanner nach mir, verfehlte mich aber knapp.
    Die Königlich-Sächsische Polizeidirektion in der Schießgasse war ein gewaltiger Koloss, der eine Fläche von mehreren Hundert
square metres
umfasste und sich um drei Innenhöfe gruppierte. Von der äußeren Gestaltung her stellte das Gebäude eine Mischung aus einer finsteren, mittelalterlichen Burganlage und einem italienischen Renaissancepalast dar. Über einem Souterrain und dem Hochparterre lagen noch zwei weitere Etagen. Die Fensterumrandungen waren relativ schlicht gehalten. Lediglich im zweiten Obergeschoss wechselten sich Segmentbögen und Dreiecksgiebel ab. Das flache Dach wurde von einem halbgeschossartigen Aufbau mit allerlei in Stein gehauenem Zierwerk und allegorischen Figurengruppen gekrönt. Links und rechts bildeten neobarocke Rundtürme den Abschluss zur Straßenfront. Mit seiner gewaltigen Kubatur und der relativ strengen Fassadengestaltung erfüllte das Polizeigebäude zwei Aufgaben gleichzeitig: Einerseits vermittelte es dem Betrachter einen Eindruck von Macht und Bedeutung, andererseits schüchterte es ihn ein. Kein Mensch wäre hier freiwillig eingetreten. Das viel kleinere Polizeiamt in Leipzig wirkte dagegen dörflich-bieder.
    Wir hatten keine andere Wahl, wir mussten hinein. Wir betraten die Königlich-Sächsische Polizeidirektion durch das mittlere von drei hervorspringenden und weit übermannshohen Rundbogenportalen, unter dem wir uns klein und nichtig vorkamen. Ein uniformierter Pförtner fragte uns nach unserem Begehr.
    Wir durften passieren. Ein Polizeidiener führte uns weiter. Es ging treppauf, treppab, einen Gang nach links, einen Gang nach rechts. Aus eigener Kraft hätte ich nie wieder aus dem Gebäude hinausgefunden. Holmes hingegen bewegte sich so sicher, als ob er hier wohnen würde.
    Der Geheime Polizeirat Winfried von Lauschbach-Hecker ließ uns auf einer harten Besucherbank im Korridor schmoren. Minute um Minute verging. Das Haus war voller Geräusche. Türen schlugen in weiter Ferne. Absätze klapperten über das Linoleum. Ab und zu kamen Beamte vorbei, in wichtige Gedanken vertieft. Ein Gehilfe im grauen Kittel schob einen Wagen voller Akten um die Ecke. Um uns kümmerte sich niemand. Ich befürchtete das Schlimmste.
    Doch dann öffnete sich plötzlich die Tür, und wir wurden auf das Angenehmste überrascht. Winfried von Lauschbach-Hecker war Mitte bis Ende dreißig, von schmaler Statur mit breiten Schultern. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht, welches auf merkwürdige Weise mit seinem energischen Kinn kontrastierte. Er trug einen schmalen Schnurrbart im Stile des Kaisers mit aufwärts gezogenen Spitzen. Sein lockiges, dunkles Haar hatte er mithilfe von etwas Pomade in Form gebracht. Statt einer Uniform war er mit einem schlichten, dunklen Gehrock und dezent gestreiften Hosen bekleidet.
    Der Geheime Polizeirat bat uns zu einer Sitzgruppe aus schweren Ledermöbeln und bot uns einen ausgezeichneten Cognac sowie leidlich gute Zigarren an. Zunächst las er in aller Ruhe das Empfehlungsschreiben, welches uns unser Leipziger Freund, der Kriminalinspektor Belzig, für ihn mitgegeben hatte.
    »Sie sind also der berühmte Detektiv Sherlock Holmes. Sehr erfreut. Ich habe schon viel von Ihnen gehört, und – dank Ihrer Bemühungen, mein lieber Doktor Watson – auchbereits einiges von Ihnen gelesen. Es ist mir eine große Ehre. Bitte verfügen

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