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Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Titel: Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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was taten Sie?«, murmelte er.
    »Ich wußte sofort, daß der Dieb die Hintertreppe heraufgekommen sein müsse. Auf dem Wege vom Haupteingang her wäre ich ihm natürlich begegnet.«
    »Sie sind überzeugt, daß er nicht die ganze Zeit über im Zimmer verborgen war oder im Korridor, von dem Sie sagten, er sei nur schwach erleuchtet gewesen?«
    »Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Weder das Zimmer noch der Korridor bietet das geringste Versteck.«
    »Ich danke Ihnen. Bitte fahren Sie fort.«
    »Der Türhüter hatte meine entsetzte Miene gesehen und kam hinter mir die Treppe hinauf. Wir liefen nun beide durch den Gang und die steile Stiege hinunter, die nach der Charles Street führt. Die Tür unten war nicht verschlossen; wir stießen sie auf und eilten hinaus. Im selben Augenblick hörte ich, wie die Uhr vom nahen Kirchturm drei Schläge tat. Es war dreiviertel auf zehn.«
    »Das ist ein höchst wichtiger Umstand«, sagte Holmes, wahrend er die Zahl auf seiner Manschette notierte.
    »Draußen war dunkle Nacht, und es fiel ein feiner, warmer Regen. Auf der Charles Street ging kein Mensch, aber wo sie ganz am Ende mit Whitehall zusammenstößt, war wie gewöhnlich ein dichtes Gedränge. Barhäuptig liefen wir die Straße hinunter und trafen an der Ecke einen Polizisten.
    ›Ein Diebstahl!‹, stieß ich keuchend heraus. ›Aus dem Ministerium des Äußeren ist ein Schriftstück von unermeßlichem Wert entwendet worden. – Ist hier irgend jemand vorbeigekommen?‹
    ›Ich stehe seit einer Viertelstunde hier‹, entgegnete er; ›während dieser Zeit ist nur eine Person hier vorübergegangen – ein großes, schon bejahrtes Frauenzimmer mit einem Umschlagetuch.‹
    ›Ach, das ist gewiß nur meine Frau gewesen‹, meinte der Türhüter, ›sonst haben Sie niemand gesehen?‹
    ›Keinen Menschen.‹
    ›Dann muß der Dieb nach der andern Seite entkommen sein‹, rief der Türhüter, mich am Ärmel fassend.
    Doch ich gab mich nicht so leicht zufrieden, und je mehr er versuchte, mich mit sich fortzuziehen, um so argwöhnischer wurde ich.
    ›Welche Richtung hat die Frau eingeschlagen?‹, fragte ich.
    ›Das weiß ich nicht‹, antwortete der Polizist. ›Ich sah sie vorbeigehen, hatte aber keinen besonderen Grund, ihr nachzuspüren. Sie schien es sehr eilig zu haben.‹
    ›Wie lange ist es her?‹
    ›Höchstens ein paar Minuten.‹
    ›Wie viele denn – etwa fünf?‹
    ›Sicherlich nicht mehr.‹
    ›Sie verlieren nur unnütz Zeit, Herr Phelps‹, rief der Türhüter. ›Meine Alte hat nichts mit der Sache zu tun, verlassen Sie sich darauf. Sie ist nach unserer Wohnung gegangen, wo Sie sie finden werden.‹
    ›Wo wohnen Sie?‹, fragte ich.
    ›In Brixton, 16 Ivy Lane; aber folgen Sie nicht der falschen Fährte, Herr Phelps; Sie verlieren nur unnütz Zeit.‹
    Wir kehrten nun in das Ministerium zurück und durchsuchten die Treppen und Gänge, jedoch ohne Erfolg. Der Korridor, der zu meinem Arbeitszimmer führt, war mit einem hellfarbenen Linoleum belegt, auf dem jeder Tritt zu sehen ist. Obwohl wir es sorgfältig besichtigten, fanden sich keine Fußspuren.«
    »Hatte es den ganzen Abend geregnet?«
    »Etwa von sieben Uhr an.«
    »Wie kam es dann, daß die Frau, die gegen neun Uhr bei Ihnen im Zimmer war, dort keine Spur ihrer schmutzigen Stiefel zurückließ?«
    »Es ist mir lieb, daß Sie den Umstand erwähnen; auch mir fiel das damals auf. Die Putzfrauen pflegen in der Stube des Türhüters die Stiefel zu wechseln und Hausschuhe anzuziehen.«
    »Das erklärt die Sache. Also Sie fanden keinen Abdruck auf dem Fußboden, trotz der Nässe draußen? Der Tatbestand ist wirklich höchst merkwürdig. Bitte, erzählen Sie weiter.«
    »Nun untersuchten wir das Zimmer. An eine geheime Tür war nicht zu denken, und die Fenster sind wohl dreißig Fuß hoch über der Straße; beide waren geschlossen und verriegelt. Eine etwaige Falltür ließe sich schon des Teppichs wegen nicht öffnen, und die Decke ist weißgetüncht. Ich möchte meinen Kopf wetten, daß der Dieb, der das Schriftstück gestohlen hat, nur zur Stubentür hereingekommen sein kann.«
    »Wie steht’s mit dem Kamin?«
    »Es ist keiner vorhanden, nur ein Ofen ist da. Die Klingelschnur hängt am Draht, rechter Hand von meinem Schreibpult. Wer geläutet hat, muß dicht am Pult gestanden haben. Aber warum sollte ein Dieb die Glocke ziehen? Es ist ein ganz unergründliches Geheimnis.«
    »Freilich, der Umstand ist verwunderlich. – Was taten Sie nun für Schritte?

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