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Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Titel: Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Hatte der Eindringling nichts im Zimmer zurückgelassen – sahen Sie keinen Zigarrenstumpf, keine Haarnadel oder sonst eine Kleinigkeit herumliegen?«
    »Nicht das geringste.«
    »Sie bemerkten auch keinen Geruch?«
    »Darauf haben wir nicht geachtet.«
    »Bei solcher Untersuchung wäre es von Wichtigkeit, wenn das Zimmer zum Beispiel nach Tabak gerochen hatte.«
    »Ich bin selbst kein Raucher, und ein Tabakgeruch wäre mir gewiß aufgefallen. Wir fanden nicht den geringsten Aufschluß. Die einzig greifbare Tatsache war, daß des Türhüters Weib – Frau Tangey ist ihr Name – sich eilig davon gemacht hatte. Trotzdem ihr Mann erklärte, seine Frau gehe um diese Zeit gewöhnlich nach Hause, kam ich mit dem Polizisten überein, daß wir suchen müßten, der Frau habhaft zu werden, ehe sie Zeit hätte, sich der Papiere zu entledigen – vorausgesetzt, daß diese überhaupt in ihrem Besitz waren.
    Inzwischen hatte man das Polizeiamt benachrichtigt, und Forbes, der Geheimpolizist, fand sich sofort ein, übernahm den Fall und entwickelte die größte Tatkraft. Wir bestiegen eine Droschke, nannten dem Kutscher die Adresse, und eine halbe Stunde später hielten wir vor Frau Tangeys Wohnung. Ein junges Mädchen, ihre älteste Tochter, wie wir später erfuhren, öffnete uns. Die Mutter war noch nicht zurück, und wir mußten im Wohnzimmer warten.
    Etwa zehn Minuten später klopfte es an der Haustür, und nun begingen wir einen unverzeihlichen Mißgriff. Statt selbst zu öffnen, überließen wir dies dem Mädchen. ›Mutter‹, hörten wir sie sagen, ›drinnen sind zwei Männer, die auf dich warten.‹ Sogleich vernahmen wir eilige Fußtritte im Gang; Forbes stieß die Tür auf, und wir stürzten beide nach dem Hinterzimmer, das als Küche diente; aber die Frau war schon vor uns da. Sie sah uns mit herausfordernden Blicken an, plötzlich aber erkannte sie mich, und ihr Gesicht verriet maßloses Erstaunen.

    ›Aber, das ist ja Herr Phelps aus dem Büro‹, rief sie.
    ›Vor wem sind Sie denn so davongelaufen – wer glaubten Sie, daß wir wären?‹, fragte mein Gefährte.
    ›Die Gerichtsdiener‹, sagte sie. ›Wir haben mit einem Händler Streit gehabt.‹
    ›Das machen Sie einem andern weiß!‹, versetzte Forbes. ›Wir haben allen Grund zu glauben, daß Sie ein wichtiges, Schriftstück aus dem Büro mitgenommen haben und es jetzt hier beiseite bringen wollten. Es hilft nichts, Sie müssen mit uns zur Polizei, um sich durchsuchen zu lassen.‹
    All ihr Bitten und Widerstreben war umsonst. Wir besichtigten noch die ganze Küche und besonders den Herd genau, um zu sehen, ob sie den Augenblick, als sie allein war, nicht benutzt hatte, um die Papiere zu verbrennen; aber wir konnten weder Asche noch Papierfetzen entdecken. Tann fuhren wir beide mit ihr in der Droschke nach dem Polizeiamt, wo sie sogleich einer dazu angestellten Frau übergeben wurde. Ich wartete in wahrer Todesangst, bis diese kam, um Bericht zu erstatten. Von den Papieren hatte sich keine Spur gefunden.
    Da überkam mich zum erstenmal das Bewußtsein meiner entsetzlichen Lage mit voller Gewalt. Bisher hatte ich handeln können, und mir war keine Zeit zum Überlegen geblieben. Ich hatte fest darauf gerechnet, den Vertrag auf der Stelle wiederzufinden; was aus mir werden sollte, wenn unsere Bemühungen fehlschlugen, daran wagte ich nicht zu denken. Doch jetzt ließ sich nichts mehr tun, und ich hatte Muße, mir meine Lage klar zu machen. Sie war fürchterlich. – Watson kann Ihnen sagen, daß ich schon in der Schule ein nervöser, leicht erregbarer Knabe war; das liegt in meiner Natur. Ich dachte an meinen Onkel und die anderen Minister, an die Schande, die ich ihm, mir und allen meinen Angehörigen bereitet hatte. Freilich war ich das Opfer eines außergewöhnlichen Mißgeschicks; aber wer fragt danach, wo diplomatische Interessen auf dem Spiele stehen? Kein Zweifel – ich war hoffnungslos zu Grunde gerichtet und mit Schmach bedeckt. – Was ich damals tat, weiß ich nicht mehr, meine Aufregung war zu groß. Ich erinnere mich noch dunkel, daß die Beamten sich um mich versammelten und mich zu beruhigen suchten. Einer von ihnen fuhr mit mir bis zur Waterloo-Station und brachte mich in den Zug nach Woking. Wahrscheinlich hätte er mich bis hierher begleitet, wäre nicht Doktor Ferrier, der in unserer Nachbarschaft wohnt, zufällig auf der Bahn gewesen. Der Doktor hatte die Güte, mich in seine Obhut zu nehmen, und das war mein Glück, denn kurz nach der

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