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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Stimme. Wir konnten nicht
    verstehen, was das Mädchen antwortete, aber die Tür wurde geschlossen und jemand stieg die Treppe empor. Die Schritte hörten sich ungewiß und schlurfend an. Ein überraschter
    Ausdruck huschte über das Gesicht meines Freundes, als er auf diese Schritte hörte. Langsam kamen sie den Flur entlang. Dann wurde zaghaft an der Tür geklopft.
    »Herein!« rief ich.
    Auf meinen Ruf trat nicht der wilde Mann, den wir erwartet hatten, sondern eine sehr alte, verhutzelte Frau in die Wohnung geschlurft. Sie schien von dem Licht in unserem Zimmer geblendet zu sein, denn, nachdem sie vor uns geknickst hatte, stand sie da und blinzelte aus Augen, die sich nicht so schnell an das Licht gewöhnen können. Mit nervösen, zittrigen Händen suchte sie in ihrer Tasche herum. Ich blickte zu meinem Kameraden herüber. Er sah so verdattert und enttäuscht aus, daß ich Mühe hatte, das Gesicht zu wahren und nicht in Gelächter auszubrechen.
    Die alte Krähe zog eine Abendzeitung aus der Tasche und wies auf unsere Anzeige. »Dies hier hat mich zu Ihnen geführt, meine guten Herren, >Ein goldener Ehering in Brixton Road gefundene Er gehört meiner Tochter Sally, die jetzt etwa ein Jahr verheiratet ist. Ihr Mann ist Steward auf einem Schiff der Union und wenn er nach Hause kommt und sieht, daß sie seinen Ring verloren hat, dann weiß ich nicht, was er mit ihr macht. Er behandelt sie so schon ziemlich schlecht, besonders, wenn er getrunken hat. Bitte, seien Sie so gut! Sie ging gestern mit jemandem zum Zirkus...«
    »Ist das der Ring?« fragte ich.
    »Dem Herrn sei Dank!«, rief die alte Frau. »Sally wird heute abend die glücklichste Frau der Welt sein. Das ist der Ring.«
    »Und wie ist Ihre Adresse?« fragte ich und griff nach einem Bleistift.
    »Duncan Street 13, Houndsditch. Ein mühsamer Weg bis hierher.«
    »Brixton Road liegt aber nicht zwischen einem Zirkus und Hounsditch«, sagte Sherlock
    Holmes scharf.
    Die alte Frau fuhr herum und blickte ihn kühn aus ihren rotgeränderten Augen an. »Der Herr hat mich nach meiner Adresse gefragt«, sagte sie. »Sally wohnt zur Untermiete in Mayfield Place 3, Peckham.«
    »Und wie ist Ihr Name?«
    »Mein Name ist Sawyer — ihrer ist Dennis, Tom Dennis hat sie geheiratet —, und er ist ein tüchtiger, sauberer Bursche, solange er auf See ist. In der ganzen Gesellschaft gibt es keinen tüchtigeren Stewart, aber bei den Frauen und in der Kneipe...«
    »Hier ist der Ring, Mrs. Sawyer«, unterbrach ich sie und gehorchte damit einem Zeichen, das mein Freund mir gegeben hatte. »Ich bin herzlich froh, daß ich ihn seinem rechtmäßigen Eigentümer zurückerstatten kann.«
    Mit einem gemurmelten Segen und übertriebener Dankbarkeit steckte die alte Krähe ihn in die Tasche und schlurfte die Treppe herunter. Kaum war sie draußen, da sprang Holmes auf und rannte in sein Schlafzimmer. Ein paar Minuten später kam er, angetan mit Hut und
    Mantel wieder.
    »Ich werde ihr folgen«, sagte er eilig. »Sie muß sein Komplize sein und wird uns zu ihm führen. Bleiben Sie auf, bis ich wiederkomme.« Kaum war die Haustür hinter der alten Frau zugeschlagen, als Holmes auch schon die Treppe herunter lief. Ich blickte aus dem Fenster und sah sie mühsam auf der anderen Straßenseite dahingehen, während ihr Verfolger sich ein Stückchen hinter ihr hielt. »Entweder stimmt die ganze Theorie nicht«, dachte ich mir, »oder sie führt ihn jetzt zu des Rätsels Lösung.« Er hätte es nicht nötig gehabt, mich zu bitten, auf ihn zu warten, denn es wäre mir nicht möglich gewesen, auch nur ein Auge zuzutun, bevor ich nicht das Ergebnis seines Abenteuers gehört hätte.
    Als er losgegangen war, ging es auf 9 Uhr zu. Ich hatte keine Ahnung, wie lange er
    wegbleiben würde, und so saß ich da, rauchte meine Pfeife und blätterte Henri Murgers >Vie de Boheme< durch. Zehn Uhr ging vorbei und ich hörte die Schritte des Dienstmädchens, die sich für die Nacht zurückzog. Um elf Uhr kamen die energischen Schritte unserer Wirtin vorbei, die ebenfalls zu Bett ging. Es ging auf zwölf Uhr zu, als ich endlich das scharfe Geräusch des Hausschlüssels hörte. Im selben Augenblick, als er ins Zimmer trat, war mir klar, daß seine Jagd erfolglos gewesen war. Sein Gesicht spiegelte den Kampf wider, den Ärger und Vergnügtheit miteinander auszufechten schienen, bis die Vergnügtheit schließlich siegte und er in herzliches Gelächter ausbrach.
    »Um nichts in der Welt darf Scotland Yard von diesem

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