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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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diesen Faden zu verfolgen und aufzudröseln, ihn zu isolieren, bis er uns Zentimeter um Zentimeter zu Gebote steht. So und nun ist Lunch angesagt und danach
    Norman Neruda. Ihr Anschlag ist einfach herrlich. Wie heißt noch gerade dieses kleine Stück von Chopin, das sie so herrlich spielt: Tra-la-la, lira-lira-lay.«
    Der Amateur-Bluthund lag zurückgelehnt in der Droschke und trällerte wie eine Lerche vor sich hin, während ich über die verschiedenen Aspekte des menschlichen Geistes nachdachte.
    5. KAPITEL

Eine Anzeige bringt einen Besucher
    Unser morgendlicher Ausflug hatte meiner schwachen Gesundheit nicht gut getan. Ich war am Nachmittag völlig erschöpft. Nachdem Holmes ins Konzert gegangen war, legte ich mich aufs Ohr und hoffte, ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Es war ein nutzloser Versuch.
    Meine Sinne waren von allem, was sich begeben hatte, noch so aufgeputscht, daß sich mir die seltsamsten Vorstellungen und Phantasien aufdrängten. Jedesmal, wenn ich die Augen schloß, sah ich vor mir das verzerrte, affengleiche Gesicht des Ermordeten. So bösartig war der Eindruck, den das Gesicht auf mich machte, daß ich Mühe hatte, keine Dankbarkeit für
    denjenigen zu empfinden, der ihn ins Jenseits befördert hatte. Wenn menschliche Züge
    Bösartigkeit ausdrücken können, dann war das ganz bestimmt der Fall bei Mr. Enoch J. Drebber aus Cleveland. Immerhin sah ich ein, daß man ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen
    mußte. Die Schlechtigkeit eines Opfers ist keine Entschuldigung in den Augen des Gesetzes.
    Je mehr ich über die außergewöhnlichen Hypothesen meines Freundes nachdachte, um so
    seltsamer erschien es mir, daß der Mann vergiftet worden war. Ich erinnerte mich nun daran, wie Holmes an seinen Lippen gerochen hatte. Gewiß hatte er vorher etwas gesehen, das ihm zu dieser Annahme Anlaß gab. Wiederum, wenn er nicht vergiftet worden war, woran war er dann gestorben? Wunden oder Würgemale waren nicht zu erkennen gewesen. Anderseits
    jedoch, wessen Blut war es dann, von dem soviel auf dem Boden gewesen war? Anzeichen
    von einem Kampf waren nicht vorhanden und das Opfer schien auch keine Waffe besessen zu haben, um damit den Angreifer zu verwunden. Solange all diese Fragen noch ungelöst waren, würde weder Holmes noch ich recht Schlaf finden können, das fühlte ich jetzt. Seine ruhige, ausgeglichene Art überzeugte mich, daß er sich längst eine Theorie gebildet hatte. Obgleich ich nicht einen Augenblick lang herausfinden konnte, wie alles zusammenhing.
    Er war an diesem Abend spät nach Hause gekommen - so spät, daß mir klar war, daß er nicht direkt aus dem Konzert kam. Das Dinner wurde serviert, bevor er erschien.
    »Es war hervorragend«, sagte er, als er sich setzte. »Erinnern Sie sich, was Darwin über Musik sagte? Er behauptete, daß die Fähigkeit, sie zu erfinden und zu genießen lange
    existierte, bevor der Mensch das Stadium des Rechnens erreicht hatte. Vielleicht werden wir deshalb auf so feinsinnige Art davon beeinflußt? Es gibt tief in unserer Seele noch schwache Erinnerungen an die Zeit, als die Welt noch in den Kinderschuhen steckte.«
    »Das ist mal eine weitgefaßte Idee«, antwortete ich. »Wenn die Ideen eines Menschen die Natur interpretieren wollen, dann müssen sie so breitgefaßt wie die Natur sein«, antwortete er.
    »Was ist los? Sie sehen so angespannt aus. Die Brixton-Affaire macht Ihnen zu schaffen, nicht wahr?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, das tut sie«, sagte ich. »Nach meinen Afghanistan-Erfahrungen sollte ich härter sein. In Maiwand mußte ich zusehen, wie meine Kameraden in Stücke
    gehauen wurden und habe die Nerven nicht verloren.«
    »Das kann ich gut verstehen. Es ist das Rätselhafte an der Sache, die die Einbildungskraft aufpeitscht. Wo es keine Einbildungskraft gibt, da gibt es keinen Schrecken. Haben Sie die Abendzeitung gelesen?«
    »Nein.«
    »Sie geben eine ziemlich gute Zusammenfassung von der Affaire. Sie erwähnen aber die
    Tatsache nicht, daß da ein Frauenring zu Boden fiel, als die Leiche aufgehoben wurde. Es ist grad so gut, daß sie nichts davon schreiben.«
    »Warum?«
    »Schauen Sie sich die Anzeigen an«, sagte er, »ich habe in jeder Zeitung eine aufgegeben, gleich heute morgen.«
    Er schob mir die Zeitung herüber und ich blickte auf die Stelle, auf die er mich hinweis. Es war die erste Anzeige in der Spalte >Gefunden<.
    »Heute morgen in Brixton Road«, hieß es, »wurde ein schlichter goldener Ehering gefunden, auf der Straße

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