Sherlock Holmes und das Druidengrab
Zeit die wichtigsten Stahlträger des Viaduktes durch Ausdünnung schwächen würde. Durch die starke Erschütterung, wenn ein Zug das Viadukt überquert, wäre die Konstruktion früher oder später in sich zusammengefallen. Doch wenn Schwefelsäure in Kontakt mit Eisen kommt, bildet sich nicht nur Eisensulfat, sondern eben auch Wasserstoff. Ich vermute, dass der Blitz das Gas, welches sich durch die Reaktion bildete, entzündet hat und es deshalb so aussah, als ob die Brücke kurzzeitig in Flammen stand. Was aber brannte war das Gas, nicht das Metall der Brücke. Deshalb auch die bläuliche Farbe der Flammen.“
„Doch wer würde so etwas tun? Es ist wohl klar, dass es jemand aus dem Umkreis Eiffels sein muss und wohl nicht eine Person ohne jegliche Bildung, wie die durchdachte Planung der Sabotage zeigt.“
„Ich bin wirklich froh, dass wir ein zweites Münchenstein verhindern konnten; denn genau dies hätte passieren können. Diesmal allerdings ohne tote Fische im Fluss. Mit Ihren Vermutungen mögen Sie recht haben, mein Lieber. Denn sowohl die Herangehensweise wie auch die zuvor bei Gustave Eiffel eingegangenen Drohungen deuten nicht auf einen Dummkopf hin. Des Weiteren sind in den Briefen keine Forderungen enthalten. Es scheint so, als sei jemand einzig darauf aus, Schaden anzurichten.“
„Dann ist Rache doch bestimmt ein Motiv, nicht?“
„Wir befinden uns hier bereits weit auf dem Gebiet der Spekulation. Die Worte aus dem Gedicht, die abgeändert wurden, können durchaus als persönliche Anfeindung, ja Geringschätzung der Arbeit Eiffels verstanden werden. Es gibt, nicht zuletzt aufgrund seines manchmal doch unehrenhaften Verhaltens gerade gegenüber den jungen und talentierten Ingenieuren und Architekten seines Büros nicht Wenige, die ihm feindlich gesinnt sind. Ich hatte beispielsweise das Vergnügen, in Genf seinen exzellenten Nachwuchsingenieur Maurice Koechlin kennenzulernen. Kreation und Planung des Turms in Paris sind einzig ihm zu verdanken und doch trägt das Bauwerk den Namen Eiffels. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies genug an Motivation ist, seinen Ruf zerstören zu wollen.“
„Was werden Sie unternehmen? Es scheint, als seien uns die Hände gebunden.“
„Nicht so voreilig. Was getan werden konnte, ist bereits erledigt. Ich habe nach Genf telegraphiert und Herrn Eiffel geraten, einige personelle Änderungen in seinem Betrieb vorzunehmen. Er ist nicht mehr der Jüngste, und ich glaube, meine Vorschläge werden Erfolg haben. Und nun lassen Sie die Arbeit ruhen und genießen Sie Ihr Frühstück.“
Eine knappe Woche später zeigte mir Holmes voller Freude einen Brief, der mit den Initialen G.E. gezeichnet war. Der Architekt hatte sich dazu entschlossen, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen und die Leitung seines Büros ohne Wenn und Aber Herrn Maurice Koechlin übergeben. Weitere Drohungen blieben aus. Der Viadukt von Souleuvre wurde nach eingehender Untersuchung und nachfolgenden Reparaturarbeiten wieder für den Schienenverkehr freigegeben. Seit diesem Fall brannten keine stählernen Brücken mehr.
Tanja Bern
www.tanja-bern.de
wurde in Herten/NRW geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Gelsenkirchen. Durch eine starke Verbundenheit zur Natur und die Liebe für mystische Geschichten entstand bei ihr schon früh das Bedürfnis zu schreiben. Im Frühling 2008 erschien ihre erste Publikation, der 1. Teil ihrer Buchreihe „Die Sídhe des Kristalls“. Der 5. Teil ist in Vorbereitung. Zurzeit arbeitet sie an verschiedenen Buch-Projekten und Kurzgeschichten.
HOLMES UND DER WIEDERGÄNGER
Tanja Bern
Sherlock Holmes schaute gedankenverloren auf das Wechselspiel der Farben in seinem Glas. Die Flüssigkeit schimmerte im Kerzenschein in verschiedenen Bernsteintönen.
Dr. John H. Watson stand vor ihm und runzelte die Stirn. Er schnaubte und sah sich pikiert um. Holmes folgte belustigt seinem Blick. Die Violine lag auf dem dunklen Eichentisch – eine Ruheinsel in dem Chaos, welches in dem Zimmer herrschte. Kleidungsstücke und zerknüllte Papierkugeln lagen verstreut auf dem Boden.
„Wann gedenken Sie das hier aufräumen zu lassen?“
„Gar nicht“, antwortete Holmes.
„Gar nicht?“
„Ich habe Mrs Hudson gekündigt“, erklärte Holmes unbekümmert.
„Ah ja ... und warum dieses Mal?“
„Sie wollte meine Violine reinigen! Mit einem Putzmittel!“
Watson schaute auf besagtes Instrument.
Holmes kratzte sich am Kopf und zerwühlte sich das dunkle Haar.
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