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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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idiotische Bemerkung zu zeigen und damit auch noch den Rest meines Incognitos zu zerstören, dann aber besann ich mich eines Besseren und bestellte mir statt dessen einen zweiten Cognac. *
    »Wer sind Sie eigentlich?« fragte er weiter, bevor er sich noch einen Absinth bestellte.
    »Ein Geiger.«
    »Oh.«
    »Der Ihnen vielleicht bei Mademoiselle Daaé ein wenig helfen kann«, sagte ich zu meiner eigenen Überraschung.
    »Sie weigert sich, mit mir zu sprechen«, murmelte er.
    Ich wußte, daß ich nicht mehr viel Zeit hatte, wenn ich irgend etwas aus ihm herausholen wollte, solange er noch einigermaßen bei klarem Verstand war.
    »Wie haben Sie die Dame kennengelernt?«
    »Nun«, sagte er gedehnt. »Wie Sie bereits herausgefunden haben, warte ich hier darauf, an Bord der Requin zu gehen. Wir hatten endlose Probleme mit der Beschaffung unserer Arktis-Ausrüstung, und mein Kapitän ist, wie Sie sich vorstellen können, keineswegs versessen darauf, dasselbe Schicksal zu erleiden, das die D’Artois ereilt hat. Also warte ich.« Er zuckte mit den Schultern wie ein Mensch, der Rückschläge dieser Art gewohnt war. »Mein Bruder Philippe nahm mich vor einem Monat in die Oper mit, sozusagen um mich ein wenig abzulenken. Ich verstehe wirklich nicht viel von Musik, aber, Monsieur –«
    »Sigerson.«
    »Monsieur Sigerson, wie dieses Mädchen vom ersten Augenblick an, als ich sie sah, meine Seele gefangengenommen hat! Von dem Augenblick an, als ich sie hörte, denn sie trillert wahrhaftig wie ein Kanarienvogel.« Er errötete bis an die Haarwurzeln. »Ich weiß, das ist keine korrekte Ausdrucksweise, was die Musik betrifft.«
    »Kümmern Sie sich nicht um die Ausdrucksweise. Fahren Sie fort. Sie haben die junge Dame kennengelernt?«
    »Ich habe nicht locker gelassen. Ich habe ihr Blumen geschickt und meine Karte. Schließlich war sie bereit, mich zu empfangen. Ich erklärte ihr, daß sie mich verzaubert hatte. Sie machte mich glauben, daß sie nicht unempfänglich für meine Gefühle war, aber …«
    »Aber was?«
    »Sie ist so verdammt geheimnisvoll! So unschuldig auf der einen Seite, so voller Geheimnisse auf der anderen. Sie schwört, daß ich keinen Rivalen habe, aber wie kann ich da sicher sein? Ich schrecke davor zurück, sie für treulos zu halten, und doch kann ich diese Möglichkeit nicht ganz aus meinen Gedanken verbannen!« Er ballte eine Hand zur Faust und hieb sie in die andere hinein.
    »Welche Gründe haben Sie, an ihr zu zweifeln? Buquet?«
    Diese Frage tat er mit einem Schulterzucken ab. »Ich gebe zu, daß ich den Schuft heute abend in ihrer Ankleidekabine auf Knien vor ihr gefunden habe«, gestand er und schwenkte das Glas, das er in Händen hielt. »Aber ich weiß, daß das Ganze seine Idee war, nicht ihre, und ich habe ihn hinausgeworfen. Natürlich hatte ich nicht die geringste Ahnung, daß der Bursche sich das Leben nehmen würde.«
    In seinem augenblicklichen fortgeschrittenen Zustand schien er vergessen zu haben, daß ich ihm von Beweisen erzählt hatte, die auf Buquets wahres Schicksal schließen ließen.
    »Wer dann?«
    »Ich werde Ihnen das krasseste Beispiel nennen. Ich bin hergekommen, um sie als Margarete im Faust zu hören. Gütiger Himmel, wie sie gesungen hat! Niemand hat je eine solche Stimme gehört; das ganze Haus war verzaubert, war wie verrückt und hat sie in den Himmel gejubelt, der von ihrem Namen widerhallte. Selbst mein Bruder, der mehr von Gesang versteht als ich, meinte, sie habe noch nie in ihrem Leben so gesungen. Das ›Juwelenlied‹ war mehr als vollkommen – was für eine Begabung, und so wunderschön verpackt dazu, wenn Sie, ehm, verstehen, was ich meine«, schloß er, abermals errötend.
    »Wo hat sie Gesang studiert, wissen Sie das?«
    »Das ist es ja – sie hat nie studiert außer mit ihrem betagten Vater, der mittlerweile tot ist. Niemand kann sich ihr enormes Können erklären, und am Ende der Vorstellung brach sie auf der Bühne regelrecht zusammen ; so sehr hatte der Beifall sie mitgenommen!«
    »Sie sind sicher, daß das keine, sagen wir, schauspielerische Freiheit war?«
    »Sehe ich vielleicht wie ein Narr aus, Monsieur?«
    Es schien mir angeraten, den Kopf zu schütteln. Der kleine Vicomte unterbrach seinen Bericht, um einen fünften Absinth zu bestellen.
    »Ich bin nach der Vorstellung hinter die Bühne gegangen; man hat mich in ihren Ankleideraum geführt, wo ich sah, wie die Garderobenmeisterin mit ihrem Kostüm auftauchte. Ich hörte sie leise murmeln:

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