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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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vorsichtig meinen Weg suchte, fiel mir allmählich ein Geräusch auf, das lauter war als alle übrigen. Es war ein entferntes, beharrliches Donnern, das manchmal lauter wurde, dann völlig verstummte, dann wieder begann. Ich hatte keine Ahnung, was das sein konnte, nahm es aber schon bald mehr oder weniger in meine Landkarte auf. Wenn ich tiefer kam, wurde es lauter; ging ich in die Irre, wurde es schwächer und schwand. Irgend etwas an dem Geräusch, oder um genauer zu sein, etwas an seinem unregelmäßigen Rhythmus war mir bekannt, aber zu dieser Zeit konnte ich noch nichts damit anfangen.
    Mit meinem Schildkrötengang schien es Stunden zu dauern, bevor ich an eine riesige Eisentür kam, obwohl die Dunkelheit wahrscheinlich mein Zeitgefühl durcheinandergebracht hatte. Das entfernte Donnern, das immer lauter geworden war, hatte plötzlich aufgehört und mich in tiefster Stille zurückgelassen. Ich fuhr mit den Händen über die Tür und klopfte mit den Knöcheln daran, was ein hohles Echo hervorrief. Ich kam zu dem Schluß, daß das Ding Hunderte von Pfund wiegen mußte, und verlor alle Hoffnung, das Geheimnis seines Mechanismus herauszufinden. Es müssen etwa zwei Stunden vergangen sein, während ich ohne jedes Ergebnis weitersuchte. Ich warf mich mit meinen schwachen Kräften dagegen, und wie erwartet rührte das Eisen sich nicht von der Stelle. Obwohl es unmöglich erscheint, sah es ganz so aus, als wäre meine Reise vergeblich gewesen. Wieder einmal schien die Kreatur mir entwischt zu sein.
    Angesichts dieser unerträglichen Erkenntnis setzte ich mich auf einen Steinsockel und lehnte mich mit einem tiefen Seufzer gegen das Objekt meiner Frustration. Während ich versuchte, mit meiner Enttäuschung fertig zu werden, dachte ich gleichzeitig darüber nach, welche anderen Möglichkeiten mir nun blieben.
    Die Strapazen des langen und ereignisreichen Tages müssen schließlich die Oberhand gewonnen haben, denn das nächste, woran ich mich erinnere, ist, daß ich an derselben Stelle, an der ich mich hingesetzt hatte, wieder erwachte, und der Grund für mein Erwachen war gleichfalls meine Rettung. Ich muß im Schlaf seitwärts gegen das Paneel gerutscht sein, denn zu meinem Erstaunen gab die Konstruktion nun dem leisesten Druck nach und glitt geräuschlos auf Schienen zu meiner Linken hinweg. Um ein Haar wäre ich durch die Öffnung hindurchgefallen. Ich erlangte das Gleichgewicht wieder und brauchte ein paar Augenblicke, um mir ins Gedächtnis zu rufen, wo ich mich befand. Ich griff nach meiner Uhr und versuchte herauszufinden, wie spät es war. Es war gerade fünf, aber das bedeutete gar nichts für mich. Fünf Uhr am Morgen oder am Abend? War es möglich, daß ich so lange geschlafen hatte? Ich konnte es unmöglich sagen.
    Dann wurde mir klar, daß ich Licht hatte, um die Ziffern zu lesen, und das veranlaßte mich, durch die Öffnung zu blicken, die ich sozusagen im Schlaf geschaffen hatte. Den Anblick, der mich auf der anderen Seite der Schiebetür erwartete, werde ich so bald nicht vergessen. Manchmal in meinen Träumen sehe ich es immer noch vor mir.
    Ich war zu dem unterirdischen See vorgestoßen. Das Gewässer erstreckte sich unter einem Tonnengewölbe aus Backstein und gewaltigen tragenden Säulen, die unter der Oberfläche des nebelbedeckten Wassers verschwanden.
    Ein widerhallendes Zischen verriet, daß die ganze Kammer mit Gas beleuchtet wurde, das, wie ich vermutete, von der Kalliope darüber, wo die ermordeten Männer lagen, abgezapft wurde.
    Ich kniete nieder und berührte das Wasser. Zu meiner Überraschung war es lauwarm. Zweifellos war diese Wärme, die aus der Tiefe aufstieg und mit der kälteren Luft in dem Gewölbe in Berührung kam, verantwortlich für den immerwährenden Nebel, der an der Oberfläche des Sees haftete. Im selben Augenblick, in dem meine Finger das Wasser berührten (das eine unangenehm schmierige Beschaffenheit hatte), wurde ich von einem wiehernden Geräusch erschreckt. Als ich aufsah, entdeckte ich wie durch einen ungleichmäßigen Riß im Nebel ein großes, weißes Pferd.
    » César! « rief ich. Meine Gegenwart schien das Tier nicht im geringsten zu beunruhigen. Im Näherkommen stellte ich fest, daß es mit seinem Zaumzeug an einem Eisenring festgemacht war, der wiederum an einem Pfosten hing. Auf einem Steinsims vor ihm stand eine Schüssel frischen Hafers.
    Neben dem Pfosten entdeckte ich einen Durchgang, gerade groß genug, so meinte ich, für ein kleines Ruderboot oder

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