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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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der wir standen, fangen. Meine Hosen waren durchnäßt, aber alles oberhalb meiner Taille war noch relativ trocken. Ich fand meine Streichhölzer und entzündete ein Licht, dessen winzige Flamme ich über meinem Kopf hielt.
    Auf dem Boden vor mir entdeckte ich mehrere große Flecken. Ich kauerte mich hin und berührte den, der mir am nächsten war. Er war naß und klebrig. Die Flamme verbrannte mir die Finger, und ich ließ das Streichholz fallen; während ich ein anderes anzündete, kniete ich mich in der Nähe des Flecks noch einmal hin, und die Beleuchtung bestätigte meine schlimmsten Ängste: Es war Blut.
    Ich ließ César stehen, wo er stand, mit über die Erde schleifenden Zügeln, und bahnte mir meinen Weg nach vorn; die Musik war mittlerweile durch das Schlagen und Hämmern völlig ausgelöscht. Mit Hilfe einer Reihe von Streichhölzern folgte ich der dunkelroten Spur.
    Die Flecken wurden immer größer und führten mich zum Körper des Pierrot, der in seinem weißen Clownsgewand mit den drei komischen, großen, dunklen Wollknöpfen auf dem Rücken lag.
    Der Mann war verwundet, atmete aber immer noch. Ich entzündete ein weiteres Streichholz (nun blieben mir nur noch drei) und untersuchte sein Gesicht. Die Farbe, die es verdeckt hatte, war nun von Schweiß verschmiert, und er hatte sich offensichtlich mit dem rechten Ärmel das Gesicht abgewischt, so daß man nun seine Züge sehen konnte.
    »Monsieur Le Vicomte!«
    Er öffnete die Augen. Es war tatsächlich Christines Verehrer, de Chagny der Jüngere.
    »Raoul, erinnern Sie sich an mich? Ich bin es, Sigerson.« Ich riß ein Stück von seinem Kostüm ab und machte eine Aderpresse um seine Wunde. Das Streichholz war mittlerweile ausgegangen, so daß ich im Dunkeln arbeiten mußte.
    »Sigerson«, sagte er schwach. Dann fühlte ich, wie er sich versteifte. Es war ihm wieder eingefallen: »Wo ist Christine –?«
    »Sie lebt, mein lieber Freund. Da, können Sie ihre Stimme hören? Sie lebt und ist irgendwo hier unten. Können Sie sich aufsetzen?«
    Er stöhnte vor Schmerzen, als ich ihn aufrichtete, und hielt sich an meiner Schulter so fest, daß ich glaubte, laut aufschreien zu müssen. Seine Hände waren wie Eis.
    »Was ist das für ein furchtbarer Lärm? Ist das ein Erdbeben?«
    »Ein Erdbeben, das immer wieder von neuem beginnt. Wie sind Sie hierher gekommen?«
    »Als ich von dem Unfall mit dem Kronleuchter las, habe ich sofort unser Landhaus verlassen«, begann er. »Mein Bruder hat versucht, mich davon abzuhalten, aber ich schämte mich so sehr für meine feige Vorstellung an dem Abend, als Sie uns besuchten, und beschloß, mich dafür zu entschuldigen. Ich wußte, daß Christine sich schrecklich fühlen mußte bei dem Gedanken an all die unglücklichen Menschen, die sterben mußten, während sie sang. Zuerst versuchte ich es bei ihr zu Hause, und dann ging ich auf den Opernball, wo ich sie schließlich fand. Ich wollte sie überreden, mit mir zu gehen. Sie war verzweifelt und versuchte immer wieder, mich zu warnen und mir zu entkommen, aber ich hielt sie fest.«
    »Bis Sie diesen Teufel entdeckten«, ergänzte ich.
    »Woher wissen Sie das?« In der Dunkelheit spürte ich seinen argwöhnischen Blick auf mir.
    »Ich war ebenfalls auf Ihrer Fährte. Ich habe Sie für seinen Komplizen gehalten.«
    »Dann haben Sie ihn also auch gesehen!« rief er heiser und klammerte sich an meinem Revers fest. Er fuhr fort, als spräche er von Dingen, die vor Jahren stattgefunden hatten und nicht erst vor wenigen Stunden. »Er stand oben auf der großen Treppe, ganz in Rot, und ich hörte einen Aufschrei, daß dies der Geist sein müsse. Daraufhin vergaß ich meine eigentliche Absicht, verließ Christine und folgte diesem Schurken, der der Grund für all meinen Kummer war. Er versuchte, mir durch ihren Ankleideraum zu entkommen, aber ich war zu schnell und folgte ihm –« Er brach ab, hustete hart und klammerte sich wieder an meine Schulter. »Bis ich mich in diesem infernalischen Labyrinth verirrt habe. Wie kommt es, daß selbst die Wände und die Decken und die Böden ihm alle gehorchen, als hätte er sie selbst gemacht?«
    »Weil er sie gemacht hat . Können Sie aufstehen? Wir haben es nicht mehr weit bis in die Höhle des Löwen. Versuchen Sie es. Versuchen Sie es!«
    Unter großen Anstrengungen zog ich ihn auf die Füße, und wir sahen uns in der Düsternis um. Der Boden zitterte unter uns wie das trügerische Deck eines Schiffs, das kurz davor stand, in einem Sturm

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