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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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eine Pinasse, obwohl ich von keinem eine Spur entdecken konnte. Es war nicht weiter schwierig, daraus zu folgern, daß das Boot von seinem Besitzer ans andere Ufer gebracht worden war – wo immer dieses sich befinden mochte.
    Ich beschloß, das Pferd zu benutzen, wo das Ruderboot vorzuziehen gewesen wäre, und band es von seinem Pflock los. César folgte mir bedächtig, und obwohl er keinen Sattel hatte, erhob er keine Einwände, als ich ihn längsseits seines Futterbehälters führte und die steinerne Kante zum Aufsteigen benutzte.
    »Also, César«, sagte ich sanft und führte ihn auf den Nebel zu. »Kannst du schwimmen? Kannst du mich auf die andere Seite des Sees bringen?«
    Das Wasser war, wie ich bereits erwähnt habe, warm, und das Pferd hatte nichts gegen seine eigenartige Beschaffenheit. Es setzte seine Füße vorsichtig auf das Mauerwerk und manövrierte sich anmutig in die dunstige Flüssigkeit hinein.
    Ich hatte keine allzu klare Vorstellung davon, wo wir hingingen. Ich konnte nur hoffen, daß César besser Bescheid wußte. Er begann mit kraftvollen, wiegenden Stößen zu schwimmen. Der Nebel teilte sich vor uns und schloß sich direkt hinter uns wieder. Diese Erfahrung bekam schon bald etwas träumerisch Verzauberndes. Ich mußte mich zwicken, um mich daran zu erinnern, daß ich mich weniger als siebzig Meter unterhalb einer der belebtesten Kreuzungen einer geschäftigen Metropole befand und daß das Leben einer Frau vom Ergebnis meiner Suche abhing.
    Ich war gerade zu dem Schluß gelangt, daß wir gut vorankamen, als das Gaslicht, das den Ort in sein schwaches und unheimliches Glühen tauchte, schwächer wurde und verlosch, so daß das Tier und ich mitten in diesem unterirdischen See steckten, ohne die geringste Vorstellung, in welche Richtung wir uns wenden sollten, oder ob wir uns überhaupt in irgendeine bestimmte Richtung bewegten.
    Das Pferd wieherte vor Angst laut auf. Ich beugte mich vor und klopfte ihm auf den Hals, um es zu trösten, aber auch ich selbst war alles andere als gelassen. Das seltsame Donnern hatte wieder begonnen, stärker diesmal als zuvor. Zuerst dachte ich, das Geräusch könnte uns als Führer dienen, aber schon bald wurde mir klar, daß dank der merkwürdigen Akustik des Gewölbes das Donnern von überall her gleichzeitig zu kommen schien. Das unregelmäßige Hämmern hallte schwer zwischen dem Wasser und den Steinen wider, schien in sich selbst kehrtzumachen und sich zu überrollen, so daß es eine chaotische Kakophonie produzierte. In meiner augenblicklichen Stimmung hatte ich das Gefühl, mich in dem wild schlagenden Herzen eines Wahnsinnigen zu befinden.
    Wir schwammen einige Minuten lang ziellos weiter, bombardiert von den Echos, aber dann hörte der Lärm plötzlich wieder auf und ließ uns in einer Dunkelheit und Stille zurück, die schrecklicher war als alles zuvor. Jetzt waren die einzigen Geräusche, die César und ich vernahmen, unsere eigenen.

KAPITEL FÜNFZEHN

    Die Milchflasche

    Wie lange wir so dahinpaddelten, kann ich nicht sagen. Das Pferd stieß einmal mit einer der runden Steinsäulen zusammen, die das Gewölbe trugen, und in seinem Entsetzen darüber, daß sich sein Kopf kurz unter Wasser befand, hätte es mich beinahe abgeworfen.
    Der Klang einer Orgel rettete uns. Es begann so leise, daß wir leicht herausfinden konnten, aus welcher Richtung es kam. Während wir dem Geräusch zu folgen versuchten, wurde die Musik lauter, und schon bald gesellte sich ein wohlvertrauter Baßbariton hinzu – und dann hörte ich den klaren Sopran von Christine Daaé. Sie lebte noch, obwohl sie Angst hatte, was ich aus dem Tremolo und Vibrato in ihrem Gesang schloß.
    Das Duett war mir unbekannt, aber selbst in meinem verwirrten Gemütszustand erkannte ich seine unvergleichliche Schönheit, obwohl es zu viele Echos gab, als daß ich die Worte hätte verstehen können. Irgendwann hörte das Lied plötzlich auf, und ich befürchtete schon, César würde wieder die Orientierung verlieren, aber nach einer kurzen Pause wurde die Musik fortgesetzt, und zwar im gleichen Takt wie zuvor.
    Mit einem Stolpern und einem Scharren fand das Pferd seinen Tritt wieder, und wir zogen uns aus dem warmen, schmierigen Wasser heraus. Mehr oder weniger zur gleichen Zeit begann auch das so seltsam vertraute Donnern von Neuem, viel lauter jetzt als auf dem See. Mit jedem Donner auf dieser Seite des Wassers zitterte der Grund unter unseren Füßen, als spielten einige Riesen an der Stelle, an

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