Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
interessant an!«
»Das hört sich interessant an«, fand Sherlock Holmes, nachdem die junge Lady sich vorgestellt und ihr Anliegen vorgebracht hatte.
»Ich heiße Beth, Elizabeth Harmon-Billings und wohne ... wohnte mit meiner Mutter Margaret im Hotel Londres in der Rue Saint-Roch, in Nummer 342. Es war ein Appartement mit schweren, pflaumenblauen Samtvorhängen, einer scheußlichen Rosenmustertapete, einem hochlehnigen Sofa, einem ovalen Zitronenholztisch und einer vergoldeten Stutzuhr. Ich erinnere mich ganz genau. Heute Morgen traf ich meine Mutter krank an. Sie hatte hohes Fieber, ihr Unterleib war angeschwollen, sie war kaum ansprechbar, hatte Darmkatarrh und musste sich ständig übergeben. Vor lauter Angst ließ ich den Hotelarzt Doktor Tigot holen. Ich spreche fließend Französisch, müssen Sie wissen, denn ich wurde in der Schweiz erzogen.
Nachdem der Doktor meine Mutter untersucht hatte, war er sehr aufgeregt und ließ mich nicht mehr in unser Apartment. Ich musste vor dem Büro des Geschäftsführers des Londres warten, einem Monsieur Brasseur. Drinnen sprachen Monsieur Brasseur und der Doktor aufgeregt miteinander. Das Londres hat bereits einen Fernsprechapparat. Monsieur Brasseur benutzte ihn, um mit jemandem zu sprechen, der Monsieur Tierarle oder so ähnlich hieß. Obwohl er sehr laut sprechen musste, hörte ich den Namen durch die geschlossene Tür nicht genau und verstand keine Details ihres Gesprächs. Dann kam Doktor Tigot wieder heraus.
Mademoiselle , sagte er, Ihre Frau Maman ist schwer krank, aber es gibt eine Medizin. Ich möchte Sie bitten, sie selbst zu besorgen, in Gentilly, in der Rue Saint-Saturnin Nummer 24. Fragen Sie nach Docteur Benassis. Rue Saint-Saturnin 24, Changrillard. Merken Sie sich das gut, und wenn sie die Medizin haben, kommen Sie sofort zurück!
Dann überreichte er mir einen Briefumschlag mit Geld. Für Ihre Unkosten, Mademoiselle! Und nun gehen Sie, gehen Sie rasch. Eine Droschke wartet bereits vor dem Hotel auf Sie.
Ich dankte ihm und bestieg die Kutsche. Rue Saint-Saturnin 24, zu Docteur Benassis .
Der Kutscher nickte und fuhr los. Es war früher Vormittag, und obwohl die Straßen belebt waren von Fußgängern, Fahrrädern und allen möglichen Fahrzeugen, hätte die Fahrt über die Pont Royal nach Gentilly eigentlich schnell vonstatten gehen müssen. Ich hatte sie selber schon mit meiner Mutter zurückgelegt, weil ich mir die Universität ansehen wollte, denn ich möchte studieren, vielleicht sogar in Paris.«
Als sie Holmes' unwillige Kopfbewegung ob dieser Abschweifung bemerkte, fasste sie sich und kehrte mit neuer Konzentration zur Sache zurück. »Ich hatte den Eindruck, der Kutscher verzögere die Fahrt absichtlich, und trieb ihn an. Einmal meinte er, er habe sich verfahren und fuhr etwa zwanzig Minuten zurück. Als wir endlich in der Rue Saint-Saturin 24 angekommen waren, fand ich kein Schild, das auf einen Docteur Benassis verwiesen hätte. Als ich aber an der Tür klingelte, öffnete mir ein Hausmädchen und erklärte mir, der Doktor sei nicht anwesend. Wann er wiederkäme, wisse sie nicht, aber ich solle unbedingt warten. Ich wartete zwei Stunden. Dann kam ein kahlköpfiger Monsieur, der sich als Dr. Benassis vorstellte. Er stellte mir tausend Fragen. Wo wir herkämen. Wie sich die Krankheit meiner Mutter gezeigt habe. All das. Auf mein Drängen, dass ich in Eile sei, reagierte er nicht. Schließlich erklärte er mir, er werde eine Medizin herstellen und mir mitgeben. Das dauerte eine weitere Dreiviertelstunde. Schließlich gab er mir eine Flasche aus braunem Glas. Geld wollte er keines. Das Mädchen ließ mich zur Tür hinaus.
Meinem Kutscher war es wohl zu langweilig geworden, er war offenbar weggefahren. Ich kehrte um und klingelte wieder. Es dauerte lange, bis das Mädchen noch einmal öffnete. Ich verlangte, dass man mir eine Droschke riefe. Ich muss erst den Monsieur fragen , beschied mich das Mädchen. Es dauerte wieder eine Ewigkeit, bis es zurückkam. Es würde, teilte es mir mit, den Jungen schicken, eine Droschke zu rufen. Ich verzehrte mich vor Sorge um meine liebe Mutter, denn es dauerte noch einmal lange, bis ein Einspänner kam und mich einsteigen ließ. Nach mehr als fünf Stunden war ich endlich wieder im Hotel.
Zimmer 342!, rief ich.
Pardon? , antwortete der blasierte Rezeptionist.
Zimmer 342! , wiederholte ich.
Sind Sie Gast unseres Hauses?
Natürlich! Seit gestern! Mein Name ist Beth Harmon-Billings. Meine Mutter ist
Weitere Kostenlose Bücher