Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
alles Notwendige veranlassen. Arizona!« Am liebsten hätte Cody wahrscheinlich auch mich, den Überbringer der schlechten Nachricht, niedergeschossen. Der Araber, der keine Ahnung hatte, was mit ihm geschah, und warum, wurde weggebracht.
Am Abend jenes Tages kam Holmes zu mir, natürlich in seinem Kostüm.
»Was tragen Sie denn da für seltsame Beinkleider?«, wollte ich wissen.
»Das sind Chaps «, erklärte er mir. »Sie sollen die Kleidung des Reiters vor Gestrüpp und Dornen schützen.«
»Sehr geschmackvoll! Und diese merkwürdigen blauen Hosen?«
»Sind grob und robust und kaum kaputt zu kriegen. Der Stoff, aus dem sie gemacht sind, wurde angeblich in Nimes in Frankreich erfunden, stammt also de Nimes , wie man auf Französisch sagen würde. Daraus machten die Amerikaner das schöne Wort Denims . Das wird einmal der Kleiderstoff der Zukunft sein, Watson. Denken Sie an meine Worte.«
»Wir wollen sehen«, wich ich aus, denn diese Hosen waren hässlich wie die Nacht! Die Gesäßtaschen und die Uhrtasche bestanden einfach aus Stoffquadraten, die außen auf die Hose genäht waren. Nur zwei Taschen waren so gearbeitet, wie man sich gemeinhin Hosentaschen vorstellt. Manchmal verstand ich Holmes' Prognosen wirklich nicht.
»Wissen Sie schon etwas Neues, Mr. Wagener?«, wollte ich dann wissen. »Ich meine, von den umwerfenden Neuigkeiten über die Cowboymode abgesehen?«
»Ja, sicher. Allgemein wird vom Besuch eines gewissen Arztes abgeraten.« Holmes' Stimme war voller Spott. »Man würde danach, so die allgemeine Einschätzung, unter Umständen seinen Job verlieren oder gar spurlos verschwinden.«
»Was sollte ich machen, Mr. Wagener? Der Mann hatte Schwindsucht. Aber was viel wichtiger ist: Haben Sie schon irgendetwas von Belang herausgefunden?«
»Wie sollte ich? Aber ich finde mich – nicht zuletzt mit Miss Oakleys Hilfe – langsam in die für mich fremde Welt des Zirkus ein. Sie erfährt als Frau Dinge, die ein Mann nie erfahren würde. Aber auch ich habe meine Methoden. Die Mitglieder des Show-Ensembles stammen aus aller Herren Länder, bleiben aber weitgehend für sich. Die Indianer hier, die Kosaken dort. Jeder bereitet seine heimatliche Kost zu, so gut es in der Fremde geht, und jeder spielt auch seine Musik. Das ist meine Chance! Ich nehme einfach meine Geige, geselle mich zu ihnen und spiele mit. Mit den Cowboys die lustige Musik des Wilden Westens, mit den Arabern die wimmernde Musik, die sie wie die Schotten auf Dudelsäcken hervorbringen, die Indianer begleite ich bei ihren eher düsteren Kriegsgesängen und die Kosaken bei ihren wilden Tänzen, bei denen sie ihre Messer und Säbel schwingen. Niemand jagt mich fort, die meisten teilen sogar ihr Essen und ihre Getränke mit mir. Ich esse mit Arabern Kuskus, mit Indianern Pemmikan, eine Art Dauerwurst, und mit Kosaken die rote Gemüsesuppe, die sie Borschtsch nennen. Viele bieten mir auch von ihrem Tabak an. Ich habe schon einige Rothäute kennengelernt, die wie ich Pfeife rauchen. Kalumet nennen sie diese Geräte. Sie sind aus Ton. Der Star der Show und eine Art Häuptling der Indianer ist Red Shirt, ein sehr intelligenter, gut aussehender Bursche. Als echte Raucher probierten wir gegenseitig unseren Tabak und die Indianer fanden, dass meiner viel besser sei als der ihrige. Ich dagegen meinte, dass ich noch nie einen so reinen, unverfälscht schmeckenden Tabak, wie dieses Indianerkraut, verkosten durfte. Ich habe noch eine Prise davon zurückbehalten. Bei Gelegenheit möchte ich analysieren, wie die das mit dem Fermentieren machen. Übrigens sind Männer, wenn man sie richtig zu packen weiß, nicht weniger mitteilsam als Frauen. Nur auf eine andere Art.«
»Gut und schön, Mr. Wagener. Aber was hilft das in unserem Fall?«
»Geduld, lieber Doktor, Geduld! Es ist eine Sache, einen Fall zu untersuchen, der uns von einem Klienten fix und fertig in die Baker Street geliefert wird und bei dem wir an einem überschaubaren Ort mit einer überschaubaren Zahl von Verdächtigen ermitteln können. Ganz anders gelagert ist die Sache, wenn wir einen kompletten Zirkus mit vielen Hundert Menschen vor uns haben. Da gibt es Unzählige, die mit dem Fall überhaupt nichts zu tun haben, die nur neugierig sind, sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhalten und was der Möglichkeiten mehr sind. Hier heißt es beobachten, zuhören, abwarten, abwägen, echte Hinweise von Zufälligkeiten trennen, Klatsch von Fakten, Vermutungen von Tatsachen, und dann erst
Weitere Kostenlose Bücher