Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
nichts, was mit dem seltsamen Fall zu tun hatte.
Am nächsten Tag – ich hatte meine Patienten so rasch wie möglich versorgt – stand bei meiner Rückkehr aus der Praxis ein Motorwagen vor der Tür und ein Polizist werkelte daran herum.
In unserer Wohnung wurde mir ein freudiger Empfang durch meinen Freund zuteil. »Können Sie einen Motorwagen lenken, Watson?«
»Kann ich nicht und ich werde es auch nicht. Ich habe immer Kutschen benutzt und gedenke, das fürderhin zu tun.«
»Wenn Sie sich da nicht irren, lieber Freund.« Holmes grinste hinterhältig.
»Sie werden diesen wunderschönen Motorwagen, der vor der Tür steht, fahren lernen.«
»Ich? Nein! Nie!«
»Doch! Und Sie werden eine Panne haben und einen Mechaniker benötigen.«
»Doch nicht etwa diesen Deutschen?«
»Eben diesen! Aber ich darf nicht in Erscheinung treten. Sie werden mein Auge und mein Ohr sein. Constable Poddle, den Sie draußen sicher bemerkt haben werden, präpariert den Wagen so, dass er in Bälde nicht mehr richtig fahren wird. Eine Leitung wird leck werden und Sie werden die Hilfe eines Mechanikers benötigen. Das wird Mr. Master sein. Sie werden sich bei ihm ein wenig umsehen, während er den Schaden behebt. Sie brauchen sich nicht zu verstellen. Sie nehmen Ihre Arzttasche mit und erzählen, dass Sie nach einem Patientenbesuch noch bei einem Bekannten vorbeigefahren seien, und nun funktioniere der Wagen nicht mehr richtig. Das wird Ihnen zweifellos gelingen!«
»Sicherlich!«
Als ich sah, dass der Motorwagen aus Frankreich stammte, protestierte ich noch einmal. »Hätten Sie nicht ein Fahrzeug aus unserer eigenen Produktion beschaffen können?«, fragte ich ärgerlich. »Die sind doch viel besser als die kontinentalen.«
»Ich bewundere Ihre Aufmerksamkeit, Watson.« Holmes Stimme wurde ironisch.
»In der Tat, wir haben hier einen französischen Panhard 4 HP. Ich kann einem Patrioten wie Ihnen doch nicht zumuten, mit einem englischen Fahrzeug eine Panne zu haben!«
Die folgende Stunde war fürchterlich. Constable Poddle wies mich in die Funktionsweise der Höllenmaschine ein. Holmes drückte mir noch einen Zettel mit der Adresse in die Hand und dann war es so weit: Ruckelnd und rasselnd fuhr die Kiste los. Billy trabte mit einer roten Fahne in der Hand vorneweg und scheuchte Fußgänger und Hunde von der Fahrbahn. Er hätte die Fahne nicht gebraucht. Mein Kopf war rot genug, so peinlich war mir das Ganze.
Rechtzeitig vor meinem Ziel tat ich, was der wackere Poddle mich geheißen hatte. Aus einer kupfernen Leitung lief Öl heraus, der Wagen ruckelte noch mehr als zuvor und verlor deutlich an Kraft. Schließlich blieb er in der Nähe von Masters Werkstatt stehen.
Master war ein hoch gewachsener älterer Mann mit grauem Haar, einer bifokalen Brille und einer schlechten Haltung. Er hatte in einem Schuppen eine Werkstatt eingerichtet. Alle möglichen technischen Teile lagen, standen und hingen darin herum: Reifen, Werkzeuge, kaputte Räder, gebrochene Achsen, Farbeimer, ich weiß nicht, was alles. Sitze mit heraushängenden Federn. Ein Verdeck mit Löchern darin. Offenbar reparierte Master auch Pumpen und Ähnliches, denn solche lagen ebenfalls ganz oder zerlegt herum. In dem Schuppen war Platz für vier Wagen, an denen offenbar gearbeitet wurde. Einer stand in der Ecke. Eine nachlässig übergeworfene Plane bedeckte ihn zur Hälfte.
Master deckte, als er mich sah, schnell die Plane ganz darüber und kam auf mich zu gehumpelt. Nachdem wir uns bekannt gemacht hatten, schilderte ich ihm mein Problem.
»Ich schau es mir gleich mal an«, meinte er mit einem fürchterlichen deutschen Akzent, so dass ich ihn kaum verstand. Er nahm Billy und einen Jungen mit, den er als Tim vorstellte, ging zurück zu meinem Panhard und schob ihn mit seinen jungen Helfern in die Werkstatt.
»Schau nur gut zu, damit du was lernst«, sagte Master bei der Rückkehr zu Billy. Ein echter Deutscher eben!
Ich fragte harmlos, ob er Deutscher sei, und dankte ihm in seiner Muttersprache, die ich 1886 gelernt hatte, als mein Freund und ich im Auftrag eines preußischen Politikers die seltsamen Todesumstände eines verrückten süddeutschen Königs und seines Leibarztes aufzuklären versucht hatten. Obwohl mein Deutsch sicherlich nicht minder fürchterlich ist als Masters Englisch, kamen wir, während er arbeitete, ein wenig ins Gespräch. Eine Leitung sei leck, das müsse er nur rasch löten und neues Öl einfüllen, dann könne ich wieder nach Hause
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