Sherlock von Schlotterfels 06 - Ein Gespenst unter Verdacht
er lieber für sich, dass er sich unter der Bettdecke versteckt und vor Angst gezittert hatte und am liebsten keinen Fuß vor die Tür seines Geheimzimmers gesetzt hätte.
„Kaum hatte ich erkannt, in welcher Gefahr wir uns befanden, zögerte ich keine Sekunde, unter Einsatz meines Lebens Schloss Schlotterfels und seine Bewohner zu beschützen“, behauptete Sherlock stattdessen.
Lilly, die sich zwischen Paulas Stofftiere ins oberste Fach eines Wandregals gekuschelt hatte, hob bei diesen Worten das Köpfchen.
Paula und Max schauten sich grinsend an. Sie kannten ihren Gespensterfreund und sie wussten nur allzu gut, wie sich die Sache wahrscheinlich wirklich zugetragen hatte.
„Entschlossen stürmte ich aus meinem Geheimzimmer, um den Einbrecher zu stellen“, fuhr Sherlock fort. „Die Furcht vor mir muss ihm Beine gemacht haben. Denn als ich zum Äußersten bereit in die Bibliothek stürzte, stand zwar noch die Tür zum Park offen, aber der Halunke hatte sich aus dem Staub gemacht“, beendete Sherlock seinen Bericht und fügte grollend hinzu: „Sein Glück!“
Erwartungsvoll ließ das Gespenst seine Augen zwischen Max und Paula hin und her wandern.
„Dann haben Sie den Einbrecher also gar nicht gesehen?“, fragte Max nach.
Entschieden schüttelte Sherlock den Kopf. „Grundgütiger! Nein! Aber gehört habe ich ihn!“
Zu Sherlocks maßloser Überraschung kicherten Max und Paula gleichzeitig los.
„Was ist denn bitte so amüsant, wenn die Nachfrage gestattet ist?“, schnappte Freiherr von Schlotterfels beleidigt.
„Da wäre ich gern dabei gewesen“, japste Paula und krümmte sich vor Lachen. „Zum Piepen! Sherlock Freiherr von Schlotterfels jagt eine quietschende Tür!“
Aus den Augen des Gespenstes schossen feurige Blitze. „Wie darf ich das verstehen?“, näselte es.
Max räusperte sich und antwortete beherrscht: „Die Lösung ist ganz einfach: Ihr Einbrecher war Frau Hagedorn.“
„Eure fette Dienstmagd?“ Ungläubig zog das Gespenst die Nase kraus.
Frau Hagedorn war die Haushälterin der Familie Kuckelkorn. Seitdem Dr. Kuckelkorn, Max’ und Paulas Vater, das alte Schloss Schlotterfels gekauft und darin ein Museum eingerichtet hatte, kümmerte sie sich auch um die Erziehung der Kinder.
Max nickte, um im nächsten Moment energisch den Kopf zu schütteln. „Nein, natürlich ist Frau Hagedorn nicht wirklich ein Einbrecher. Es ist nur so, dass sie in der Bibliothek lüftet, sobald der letzte Museumsbesucher gegangen ist. Das macht sie doch jeden Abend.“
„Und nach dem Abendbrot schließt sie die Tür wieder“, fügte Paula hinzu. „Wahrscheinlich hat sie es heute Abend einfach vergessen.“
Sherlock reckte das Kinn vor und fragte listig: „Und warum hat die Tür gequietscht?“
„Das war bestimmt der Wind“, antwortete Max unbeeindruckt.
„Pah!“, stieß das Gespenst verächtlich hervor. „Der Wind! Lachhaft! Und die Schritte, die ich gehört habe?“, beharrte Sherlock.
„Vielleicht haben Sie das nur geträumt“, sagte Paula kichernd und stellte sich dabei vor, wie das Gespenst auf Zehenspitzen und zähneklappernd durch das Museum geschlichen war. Sie streckte sich auf dem Bett aus, faltete die Hände über ihrem Bauch zusammen und grinste die Zimmerdecke an. „Oder Ihre Fantasie ist mal wieder mit Ihnen durchgegangen. Wäre ja nicht das erste Mal, dass Sie ein kleines bisschen übertreiben.“
„Sapperlot noch eins!“, empörte sich das Gespenst und schoss in die Höhe. „Ich weiß, was ich gesehen und gehört habe! Und ich habe es wirklich nicht nötig, mich von einem Dreikäsehoch wie dir verhöhnen zu lassen, Paula Kuckelkorn. – Lilly!“
Kaum war Lilly auf seinen Arm geschwebt, brauste das Gespenst in die Nacht hinaus.
„Machen Sie dann bitte noch die Tür zur Bibliothek zu!“, rief Paula ihm hinterher.
„Paula“, stöhnte Max. „Musst du ihn immer ärgern? Du weißt doch, wie empfindlich er ist.“
Schockschwerenot!
„Sonntag ist mein Lieblingstag!“, verkündete Paula, während sie die gebrauchten Frühstücksteller und Tassen in die Spülmaschine einräumte.
Sie drehte eine Pirouette und kickte mit der Ferse die Spülmaschinenklappe zu.
„Paula!“, donnerte Frau Hagedorn prompt.
Max stand im Türrahmen und kicherte.
„Hier kommen die restlichen Brötchen!“, rief Dr. Kuckelkorn und stellte den Brotkorb auf die Anrichte. Er trat ans Küchenfenster und schaute in den trüben Tag hinaus. „Es sieht nach Regen aus“, seufzte er. Dann
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