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Sherry Thomas

Sherry Thomas

Titel: Sherry Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine fast perfekte Ehe
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besaß bekanntermaßen keinerlei
egalitäre Neigungen. Deshalb war ihr Benehmen umso überraschender. Gigi hatte
damit gerechnet, dass ihre Mutter dem Duke mit unterwürfiger Höflichkeit
begegnen würde – und natürlich voller Triumph,
weil sie es geschafft hatte, die eigene Tochter und ihn in einen Salon zu befördern.
Stattdessen schien Victoria eher wild entschlossen und mit zusammengebissenen
Zähnen ein bestimmtes Ziel zu verfolgen – als befände sie sich auf der
Überfahrt nach Grönland. Da wusste man auch, dass von der Reise nichts als
Gefahren und Unannehmlichkeiten zu erwarten waren, für die einen die Gegend
bei der Ankunft keinesfalls entschädigen würde.
    Ebenso bemerkenswert war, wie der
Duke mit Mrs. Rowland umging. So ein Mann kannte die Bedeutung des Wortes liebenswürdig eigentlich nicht einmal. Seinen Freunden trat er wahrscheinlich mit
Gleichmut gegenüber und dem Rest der Welt mit Herablassung. Als er Mrs.
Rowland nun aber Komplimente für ihre Blumenarrangements machte, zeigte er
dabei ein Einfühlungsvermögen, das Gigi ihm nie zugetraut hätte.
    Camden erschien als Letzter, sein
Haar war noch feucht vom Bad, das er gerade genommen hatte. Erst zwanzig
Minuten zuvor war er von seinem Ritt ans Meer zurückgekehrt.
    »Darf ich Ihnen meinen
Schwiegersohn, Lord Tremaine, vorstellen?«, bat Mrs. Rowland. »Lord
Tremaine, der Duke of Perrin.«
    »Es ist mir eine Ehre, Eure
Gnaden«, sagte Camden, der sich in der Rolle des männlichen Gastgebers
offensichtlich wohlfühlte. »Ich habe übrigens Elf Jahre vor Ilium gelesen,
was mir großes Vergnügen bereitet hat. Ein wirklich erhellendes Werk.«
    Der Duke hob eine dunkle Braue. »Ich
wusste gar nicht, dass meine kleinen Monographien auch in Amerika erhältlich
sind.«
    »Das kann ich Ihnen auch nicht mit
Sicherheit sagen. Meine geschätzte Schwiegermutter hat mir eine Ausgabe
zukommen lassen, als sie kürzlich in London weilte.«
    Nun wandte sich der Duke Mrs.
Rowland zu und musterte sie durch sein Monokel. Wäre er keine so beeindru
ckende Erscheinung gewesen, hätte man ihn fast für die Karikatur eines Aristokraten
aus dem Punch halten können. Davor schützte ihn allerdings sein
offensichtlicher Sinn für Humor.
    Mrs. Rowland trat unter seinem Blick
von einem Fuß auf den anderen. Gigi traute ihren Augen kaum. Die beiden Männer
begriffen bestimmt nicht, was so etwas bei ihrer Mutter zu bedeuten hatte. Aber
Gigi wusste natürlich, dass Victoria darauf gedrillt war, in der Öffentlichkeit
stets mit geradem Rücken dazustehen und durch ihre Körperhaltung niemals auch
nur einen Anflug von Unsicherheit zu verraten. Mrs. Rowland konnte sich
normalerweise in eine Salzsäule verwandeln, wenn sie wollte.
    »Meine Mutter vergöttert
Homer«, bemerkte Gigi. »Es wird Ihnen kaum gelingen, eine andere Frau oder
auch einen Mann in England zu finden, die so viel über Homer und sein Werk
wüssten wie sie, Eure Gnaden.«
    Diese Neuigkeit erstaunte den Duke.
Er nickte Mrs. Rowland zu. »Meine aufrichtige Anerkennung, Madam. Sie müssen
mir beizeiten verraten, wie es kommt, dass Sie eine Schwäche für ein derart
abgelegenes Wissensgebiet entwickelt haben.«
    Mrs. Rowland lächelte strahlend,
woraufhin Camden Gigi vielsagend ansah. Sie war also nicht die Einzige, der
aufgefallen war, was hier vorging.
    Hollis verkündete, dass das Dinner
serviert war. Also begab man sich gemeinsam in den Speisesalon.
    An diesem Abend gab es für Victoria nur einen einzigen
Lichtstreifen am Horizont: dass der Duke nicht sofort Gigis Charme erlag.
    Während der gesamten Kindheit ihrer
Tochter hatte deren Aussehen Victoria schlimmen Kummer bereitet. Gigi
entwickelte sich nämlich nicht zu einer makellosen Schönheit, wie die Mama es
war, sondern wurde größer, als eine Frau es sein durfte, hatte auch breitere
Schultern und schaute noch dazu der Welt und den Männern mit einem herausfordernden Blick ins
Gesicht. Besonders dieser Blick trieb Victoria zur Verzweiflung. Als es nach
einigen Jahren endlich nicht mehr notwendig war, Gigis Kleid und Frisur stets
genauestens zu überprüfen, weil die selbst inzwischen darauf achtete, fiel
ihrer Mutter auf, dass die Männer ihre Tochter anstarrten.
    Einige sogar mit offenem Mund. Bei
Bällen und Soireen konnte kaum ein Mann die Augen von ihr abwenden, während
sie nur selten einmal zurückschaute – und dies meist offensichtlich
gelangweilt.Victoria versuchte, Gigi einmal mit den Augen eines Fremden zu
sehen. Schockiert stellte sie

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