Sherry Thomas
endlich
dafür danken, dass du so gut auf Christopher aufgepasst hast.«
Christopher hatte sich während der
vergangenen Jahre in die eine oder andere Klemme manövriert. Nichts wirklich
Gefährliches – keine uneheliche Nachkommenschaft, ruinösen Schulden oder gar
kriminellen Freunde. Trotzdem rauften seine Eltern sich seinetwegen die Haare
und brachen in lautes Wehklagen aus. Nach dem Heiligen Camden und Claudia, der
Vernünftigen, wussten sie nicht, was sie mit einem etwas temperamentvolleren
Kind machen sollten. Also hatte Gigi das übernommen. Sie rettete ihn aus ein
paar schwierigen Situationen, verabreichte ihm ordentliche Standpauken, wozu
seine weichherzigen Eltern sich nicht aufschwingen wollten, und sorgte dafür,
dass seine Apanage vorübergehend gestrichen wurde, wenn dies angemessen
erschien.
»Eine Selbstverständlichkeit«,
erklärte sie. »Es hat mir Spaß gemacht, ihn an die Kandare zu nehmen.«
»Er hat sich in seinen Briefen
bitterlich über dich beklagt. Du seist eine schlimme Medusa, nur viel gefährlicher
als das Original. Angeblich wolltest du ihn nach Wladiwostok verschleppen und
dort ohne einen Penny im Hafen aussetzen. Außerdem hättest du geschworen, jeden
in den Bankrott zu treiben, der es wagte, ihm Geld zu leihen, als du seine
Apanage gestrichen hattest.«
Man hörte aus jedem von Camdens
Worten, welchen diebischen Spaß ihm ihre Erziehungsmaßnahmen bereitet hatten.
All diese plötzlichen Komplimente stiegen ihr zu Kopf. »Hast du mich
vermisst?«, hörte sie sich selbst fragen.
Es wurde still im Abteil, man hörte
nichts mehr als die Stahlräder des Zuges auf den Gleisen, die mit einer Meile
die Minute darüberrollten. Gigi schaute aus dem Fenster und kam sich dumm vor,
so wie eine Horde Lemminge auf dem Weg zu den Klippen.
Auch Camden sah hinaus und schwieg
so lange, dass Gigi schon glaubte, sie würden die Bemerkung alle beide
übergehen, als wäre sie nie gefallen.
Dann antwortete er ihr aber dennoch:
»Das war nie der springende Punkt bei der Sache, Gigi.«
Kurz nach zwei Uhr am Nachmittag trafen
die beiden in Mrs. Rowlands Cottage ein. In London war es grau gewesen und
hatte geregnet, doch über diesem Teil von Devon schien jetzt angenehm warm die
Sonne, obwohl der Boden aufgeweicht war und Regenwasser von den Blättern
tropfte.
Die Rosen standen in voller Blüte.
Inmitten dieser Pracht befand sich das Cottage mit seinen strahlend weißen
Wänden, alles zusammen eine wirkliche Augenweide ländlichen Charmes. Gigi
erwartete fast, dass ihre Mutter vor Glück in Ohnmacht fallen würde, wenn sie
ihre Tochter mit Camden zusammen erblickte. Doch der musste Mrs. Rowland wohl
noch in London ein Telegramm geschickt haben. Sie beäugte die beiden nämlich
zwar neugierig, als sie sie willkommen hieß, wirkte aber überhaupt nicht
erstaunt.
»Was für ein bezauberndes
Haus«, erklärte Camden und küsste Mrs. Rowland auf die Wange. »Das Foto,
das du mir geschickt hast, war auch sehr schön, aber kein Vergleich mit dem
Original.«
»Du musst einmal im Frühling nach
Devon kommen«, sagte Mrs. Rowland. »Die Wildblumen im April sind einfach
unvergleichlich.«
»Dann werde ich dich im kommenden
April auf jeden Fall besuchen«, entschied Camden. »Da bin ich bestimmt
noch in England.«
Gigi fühlte förmlich, wie sich ihr
die Augen der Mutter in den Rücken bohrten, während sie selbst den Garten
bewunderte, der nach dem morgendlichen Schauer mit Blütenblättern übersät war.
Für Gigi war das ja nicht neu. Die Abmachung mit Camden lief
über ein Jahr, und das würde erst im nächsten Mai zu Ende gehen. Trotzdem
konnte sie sich im Moment nicht vorstellen, dass dieses Arrangement auch nur
noch elf Wochen, geschweige denn elf Monate andauern sollte.
Seit zehn Jahren war zwischen ihnen
alles beim Alten geblieben, weil er während der ganzen Zeit gar nicht weit genug
von ihr entfernt sein konnte. Als er dann vor Kurzem zurückgekehrt war, hatte
er an seiner Feindseligkeit keinen Zweifel gelassen. Doch inzwischen schien die
Lage sich verändert zu haben. Und dadurch betraten sie jetzt unerforschtes
Gebiet. Ganz neue Möglichkeiten taten sich plötzlich auf – gefährliche
Möglichkeiten, über die Gigi kaum nachzudenken wagte.
»Wie schön«, sagte Mrs.
Rowland. »Wir sehen dich viel zu selten.«
»Ich habe dich bestimmt unzählige
Male nach New York eingeladen«, erwiderte Camden mit einem herausfordernden
Lächeln. »Nur bisher hattest du immer eine Ausrede parat.«
»Aber
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