Sherry Thomas
für Ihr Versteckspiel eingangs durchaus zu würdigen, allerdings
interessiert mich mehr, was Sie mir später erzählt haben«, sagte er.
Seinen eigenen Tee ließ der Duke unberührt stehen, beobachtete jedoch, wie sie
den ihren mit einer eleganten Handbewegung umrührte. »Möchten Sie sich dafür
ebenfalls entschuldigen?«
»Das täte ich, wenn es ein
vollkommenes Lügengespinst gewesen wäre.«
Geistesabwesend nippte er nun doch
am Tee. »Wollen Sie mir damit andeuten, dass es selbiges eben nicht gewesen
sein soll?«
»Nachdem ich inzwischen lange
darüber nachgedacht habe, kann ich nur sagen, dass ich mir diesbezüglich nicht
mehr sicher bin.«
Im Stillen verfluchte er seine
Neugier. Und seinen Mangel an Takt. Ein zurückhaltenderer Mann hätte weder die
Frage gestellt noch sich jetzt damit herumplagen müssen, wie viel Raum zur
Interpretation die Antwort ließ.
»Vielleicht wollen Sie mir ja
helfen, mich diesbezüglich endgültig zu entscheiden«, schlug sie vor. »Ich
würde Sie gern besser kennenlernen.«
»Was würden Sie denn gern über mich
wissen?«
»So manches. Aber vor allem und
vordringlich, wie Sie zu dem Menschen wurden, der Sie heute sind. Das ist mir
nämlich ein wahrhaftiges Rätsel.«
Sein Herz klopfte. »Daran ist
keineswegs irgendetwas sonderlich mysteriös. Ich wäre nur beinahe
gestorben.«
So leicht gab sie sich nicht
zufrieden. »Meine Tochter wäre im Alter von sechzehn Jahren ebenfalls beinahe
gestorben. Die Erfahrung hat ihren Charakter nicht wesentlich verändert, ihn
eher in seiner Ausprägung weiter verstärkt. Aus Ihnen hingegen scheint das
Erlebnis einen vollkommen anderen Menschen gemacht zu haben.«
Ruhig hob sie die Teetasse vor die
Lippen, ohne einen Schluck zu trinken. Ihr Handgelenk blieb dabei fest und
zitterte nicht. »Mein Gefühl sagt mir, dass ich Sie nicht verstehen oder
einschätzen kann, solange ich Ihre Verwandlung nicht begreife. Dabei scheint
es um mehr zu gehen als eine Begegnung mit dem Tod. Da irre ich doch nicht,
oder?«
Ein paar Augenblicke lang überlegte
er sich verschiedene Erwiderungen auf diese Frage, die er dann allesamt
verwarf. Sein ganzes Leben lang hatte er es sich aufgrund seines Titels leisten
können, deutlich bis zur Unhöflichkeit zu werden, da war er jetzt schlecht auf
Diplomatie vorbereitet.
»Nein, Sie haben recht«,
erklärte er schließlich.
Die Teetasse schwebte weiter vor
Mrs. Rowlands Kinn ... fast wie ein Schild, eine Maske, um ihren Scharfsinn hinter
hauchzartem Porzellan zu verstecken, das darüber hinaus auch noch mit Rosen
und Efeu bemalt war. »Darf ich fragen, ob eine Frau mit der Sache zu tun
hatte?«
Das musste er nicht
beantworten. Allerdings hatte er Mrs. Rowland auch keineswegs zum Tee einladen müssen. Er wusste so wenig, worum es ihm bei diesem Treffen mit ihr ging, wie sie
selbst, vielleicht war er sogar noch ahnungsloser.
»Ja, es hat mit einer Frau zu
tun«, gab er zu. »Und mit einem Mann.«
Ihre Gesichtszüge erstarrten kurz
schockiert. Dann setzte sie vorsichtig die Tasse ab. Offenbar war ihr Handgelenk
doch nicht fest genug, um angesichts der lebhaften Fantasie seiner Besitzerin
nicht ins Zittern zu geraten.
»Lieber Himmel«, murmelte sie.
Er lächelte leicht und voller
Bedauern. »Wenn es doch nur um eine solche Verfehlung ginge.«
»Oh!«
»Sie haben wahrscheinlich von der
Jagdgeschichte gehört. Ich bin angeschossen worden und blutete stark, dann
operierte man mich sechs Stunden lang, wobei ich beinahe gestorben wäre«,
sagte er. »Dennoch stimmt es, dass dieser Vorfall mich genauso wenig verändert
hat wie ein schlimmer Kater nach einem Gelage oder starke Magenschmerzen.«
Eine Woche nachdem Langford nicht
mehr in Lebensgefahr schwebte damals, besuchte ihn Francis Elliot – der Mann,
der auf ihn geschossen hatte. Elliot war mit ihm in Eton gewesen, und Langford
hatte ihn während der Schulzeit oft daheim besucht. Mit den Jahren allerdings
hatte sich ihre einst enge Freundschaft abgekühlt, die beiden sahen einander
kaum noch. Langford führte das Leben eines Draufgängers ohne jede Moral,
während Elliot in die langweilige Rolle des Großgrundbesitzers geschlüpft war,
der seine Ländereien verantwortungsbewusst verwaltete, genau wie seine Ahnen es
vor ihm getan hatten.
An jenem Vormittag war Langford ob
der Schmerzen und der Eintönigkeit seines Aufenthalts im Krankenbett schlecht
gelaunt gewesen. Er hatte Elliot wegen seines stümperhaften Umgangs mit dem
Gewehr lächerlich gemacht und
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