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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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haben
könnten, um die Unabhängigkeit der Ukraine herbeizuführen.
    Ein Angstklumpen bewegt sich von Kates Solarplexus zu den
Schlüsselbeinknochen hinauf. Nennt man das Intuition? Marina reißt sich von dem
Artikel los. »Sehr faszinierend - das liest sich ja wie ein Roman! Kate, was
ist los? Warum wühlst du im Papierkorb? Hast du irgendwas Wichtiges
weggeworfen? Kate, hörst du mich?«
    Kate blickt über den Kopf ihrer Freundin hinweg auf die
Bürouhr: 11.00 Uhr, Montag. Noch drei Tage bis
zum Besuch des ukrainischen Präsidenten.
    »Marina«, sagt Kate fest, und hält das braune Kuvert
umklammert, das sie aus dem Papierkorb gefischt hat, »ich kann morgen nicht
mit ins Wellnesscenter kommen. Und ich kann auch das Kleid jetzt nicht
anprobieren. Ich muss nach Frankreich.«
     
    26
     
    Champagne, Frankreich, Dienstag 10. April 2001, 12.13 Uhr.
    Es ist schon nach Mittag, als Kate endlich die Autobahn
verlässt. Wenigstens muss sie nicht durch Paris fahren. Die Erfahrung letztes
Jahr hat ihr vollauf gereicht. Philip war stundenlang durch die Straßen des
Quartier Latin gekurvt, weil er sich nicht in enge Parklücken zwängen wollte.
»Wie ein plattgedrückter Frosch«, meinte er.
    Das Gespräch mit Marina gestern ist ein Kinderspiel
gewesen. Vor allem weil Marina, die normalerweise ohne Punkt und Komma quasselt
und Wörter aus verschiedenen Sprachen zu einem exotischen Linguistikcocktail
mixt, absolut sprachlos war. Kate hatte weder Kraft noch Lust, Marina die
Gründe zu erklären. »Nicht jetzt«, hat sie nur gesagt, und ihre Freundin ist
verärgert abgezogen. Kate muss irgendwas unternehmen, wenn sie zurückkommt.
Und natürlich auch bezüglich der anderen üblichen Verdächtigen: Miss Fletcher,
die sich an der Tür herumgedrückt und erneut um eine Besprechung gebeten hat;
Philip, den sie zu einer zivilen Zeit in New York anrufen muss; Fiona, die sie
wegen der Katze in Spanien anrufen muss, um den Namen der verlässlichen Londoner Katzenhüterin zu erfahren. Und, du meine Güte,
sie hat eine Woche lang nicht mehr bei Babusya angerufen!
Also wird sie auch ihr jede Menge erklären müssen. Zumindest hat sie, obwohl
sie ja selbst zum Kreis der Verdächtigen zählt, noch nichts von diesem
stotternden Polizisten gehört. Er scheint der einzige Mensch zu sein, für den
sie nicht »das Land verlassen« hat. ... Sie macht eine scharfe Kurve - mein
Gott, sie ist auf der falschen Straßenseite gefahren! Konzentrier
dich, Mädchen. Sie fährt an einer kleinen Sandsteinkirche vorbei.
Die Spitze des Bleiturms sieht aus wie ein durstiger Vogel, der verzweifelt auf
einen Tropfen Regen wartet. Die Ladenschilder erinnern sie an eine Seite aus
ihrem Französischschulbuch: Patisserie, Boulangerie, Epicerie. Sie hatte gestern bereits Gelegenheit, ihr Französisch
anzuwenden. Allerdings nicht sehr erfolgreich.
    Als sie die Nummer wählte, die unter dem Namen des
Archivars gestanden hatte, meldete sich eine rumpelnde, grollende Stimme, als
wälzten Wellen Kieselsteine vor sich her: »Service
historique de l'Armee de Terre, bonjour.«
    So weit, so gut, dachte Kate. Dafür reicht mein
Französisch gerade noch.
    »Je voudrais parier avec Monsieur Pierre Brisson,
s'il vous plait. C'est Mademoiselle ...« Wenigstens
klingt ihr Name in allen Sprachen gleich.
    Sie war überrascht, wie viel Französisch ihr Madame Gamin
damals doch eingehämmert hatte. Aber offensichtlich nicht genug, denn die
Kieselstimme am anderen Ende antwortet plötzlich in akkuratem Englisch: »Guten
Morgen, Mademoiselle. Hier Pierre Brisson. Ich habe
Ihren Namen gleich erkannt - habe Ihnen ja vor zwei Wochen geschrieben. Wie
kann ich Ihnen helfen?« Sie könnten mir helfen, indem Sie mir sagen, dass der
Brief von Jakiw Polubotok nicht existiert, denkt Kate. Sagen Sie mir in irgendeiner
Sprache, dass Sie jenen Namen falsch gelesen haben. Oder sagen Sie mir
wenigstens, dass der Brief der allgemeinen Öffentlichkeit nicht zugänglich ist
und dass ich sechs Monate warten muss, um Einsicht zu erhalten. Ich stehe keine
weitere Reise durch, keine weitere Zugfahrt, keinen weiteren Flughafen. »...
Sie meinen also, man kommt am schnellsten mit dem Auto zu Ihnen?«, hört sie
sich sagen. »Um Paris herum auf der Peripherique, dann Route Nr. 10? Ich bin
morgen bei Ihnen.« In der Mitte des Dorfs, an der T-Kreuzung, fährt Kate
langsamer.
    Sie sieht kein Straßenschild, das auf das Schloss
hinweist, und auch sonst keinerlei Anhaltspunkte. Ihre Tatkraft lässt nach, sie
droht in

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