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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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Montagu hatte, ereignete sich
ebendort noch eine weitere erfreuliche Begegnung. Mein alter Freund Graf Orly
stellte mich einer jungen Dame kleinrussischer Herkunft vor, Sofia Polubotok
...
    »Monsieur Brisson ...«, beginnt Kate. Ihre Stimme ist so
leise, dass er sich vorbeugen muss, um die Frage zu verstehen. »Monsieur
Brisson, wissen Sie, was Sofia Polubotok in London gemacht hat?«
    »Oh«, sagt Brisson entschuldigend, »ich fürchte, uns
liegen hier keine weiteren Aufzeichnungen vor, Mademoiselle.« Kate fürchtet sich auch. Sie fürchtet sich davor, noch
einmal die Zeilen zu lesen, die diese beiden Briefen enthalten: ... stehe tief
in Ihrer Schuld, fakiw, da Sie Ihre kluge, mutige Tochter gesandt haben, um
unsere große Sache zu unterstützen ... Graf Orly stellte mich einer jungen Dame
kleinrussischer Herkunft vor ... Child's Kaffeehaus in der Nähe der Bank of
England. Sie fürchtete sich vor einer simplen Analyse - jede
Geschichtsstudentin im ersten Semester wäre imstande gewesen, die richtigen
Schlüsse zu ziehen. Diese Zeilen muss sie nur durch die Tatsache ergänzen, dass
das Testament zu den argentinischen Polubotoks ging, von Frankreich aus, von
den Nachkommen des Grafen Orly, und ...
    Macpherson, ihrem Dozenten für Mittelalterliche
Geschichte, hätte das gefallen, er hätte geradezu frohlockt. »In der Tat: High Story! «., hätte er
gesagt. »Vielleicht könnten Sie einen Essay darüber schreiben, Kate? Sie
könnten hier das wunderbare Beispiel eines ganz gewöhnlichen Mädchens
präsentieren und diskutieren, Enkelin eines Kosaken, die wichtige politische
Entscheidungen beeinflusst hat.« Und Philip hätte sich über ihre Schulter
gebeugt und gesagt: »Na, so gewöhnlich war sie nun auch wieder nicht, Kate,
oder? Ich finde ihren Mut und ihre Entschlossenheit sogar ziemlich
ungewöhnlich!«
    Sie hört ein vertrautes Hüsteln an ihrem linken Ohr. »Ich
möchte mir den Hinweis erlauben«, murmelt Brisson »dass das Château de Cirey
mit dem Auto nur zehn Minuten von hier entfernt liegt. Die einstige Besitzerin,
Emilie, Marquise du Châtelet, war ja Voltaires Geliebte. Der große Philosoph
hat viele Sommer seines Lebens im Château verbracht; auch die Orlys haben hier
viele glückliche Abende erlebt. Tatsächlich war es Voltaire, der den Grafen
Orly seiner späteren Gattin vorgestellt hat. Ich habe Ihnen die Wegbeschreibung
ausgedruckt, falls Sie Interesse haben. Möchten Sie hinfahren?«
    Ja. Was hat sie zu verlieren ? Sie hat ja schon alles
verloren ... Dann denkt sie an die lange Liste von Menschen, die für das
Testament gestorben sind. Nun ja, fast alles. Wenigstens ist sie noch am Leben.
     
    27
     
    London, Mittwoch, 11. April 2001, 9 .00 Uhr
vormittags »Guten Morgen. Es ist neun Uhr. Ich bin Belinda Carson.«
Das Radio spricht mit Kate, aber sie hört nicht zu. Sie hat ihre Notizen noch
dreimal gelesen, findet aber keine Antworten. Der Zug, den sie schon kennt,
nimmt wieder an Fahrt auf: Tu-es-für-ihn, tu-es, tu-es ... Gerade als sie
dachte, schlimmer könnte es gar nicht kommen, holt diese Geschichte sie wieder
ein, ist ihr auf den Fersen, zu dicht, haucht gegen ihren Nacken, bereit, sie
niederzuschlagen.
    Kate ist seit acht Uhr im Büro. Letzte Nacht hat sie,
erschöpft von der langen Fahrt, nur flüchtig ein paar Stichworte notiert, die
sie jetzt eins nach dem anderen entziffert.
    1. Im Sitzungssaal anfangen
    Was um Himmels willen soll das heißen? Ach so. Im
Sitzungssaal steht eine Gesamtausgabe von Die
Geschichte der Welt. Entschlossen geht Kate zu den
Regalen hinüber, zwängt sich an der Bediensteten vorbei, die gerade die
Kaffeetassen für das Vormittagsmeeting auf dem Konferenztisch verteilt.
Vermutlich hat die Frau noch nie erlebt, dass jemand diese Bücher tatsächlich
benutzt.
    Kate zieht einen roten Band heraus - Europa im
achtzehnten Jahrhundert - und überfliegt die
Kapitelüberschriften: »Krieg zwischen Frankreich und Großbritannien«, »Russland
und Schweden«, »Einfluss des preußischen Königs«.
    Sie kann sich kein richtiges Bild machen: Hofintrigen und
Eheschließungen, geheime Pakte und Allianzen verändern fortwährend die
Landkarte des Kontinents, verschieben die Machtverhältnisse, schaffen einen
Flickenteppich aus Grenzen.
    Wieder in ihrem Büro, liest sie, um sich besser
konzentrieren zu können, laut vor sich hin: »Mitte des Jahrhunderts fiel der
Aufstieg Russlands und Preußens mit dem Machtverlust Frankreichs zusammen.
England und Frankreich konkurrierten

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