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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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ein Ausländer Gold auf dieser Bank deponiert hatte,
hätte er es problemlos wieder zurückholen können?« Roger starrt über Kate
hinweg die Wand an, als lese er von einem Teleprompter ab, und lässt dann sein
ganzes Wissen über dieses Thema auf sie niederprasseln.
    »Die historische Periode, nach der Sie sich erkundigen,
schließt den berühmt-berüchtigten >Schwarzen Freitag< mit ein - den 6. Dezember 1745 -, die
Bankenkrise, die durch die Furcht vor einer französischen Invasion verursacht
wurde. Grundsätzlich warf der private Handel mit Goldbarren nur minimalen
Profit ab, und so befand sich dieses Geschäft Mitte der vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts
auf einem ungewöhnlich tiefen Level. Die Reserven waren total erschöpft, und
die Bank nutzte alle nur möglichen Mittel, um ihren Goldvorrat aufzustocken. Zu
jener Zeit war es nicht unüblich, gegen ausländische Golddepots zu sehr
günstigen Konditionen Kredite zu vergeben. Es wurden jedoch nicht viele
Privatkredite aufgenommen. Sie alle sind in den Berichten über die Sitzungen
des Direktoriums festgehalten.« Er legt einen dicken Band vor Kate auf den
Tisch. »Diese Aufzeichnungen werfen vielleicht etwas Licht auf das Thema des
Handels mit ausländischen Golddepots in jener Zeit.« Erneut liest sie den Text
des Testaments, den sie ja bereits kennt. Als sie das Blatt berührt, spürt sie,
wie die Kälte durch ihre Fingerspitzen kriecht, den Arm hinauf bis in die
Schultern dringt und dann in den Brustkorb. Denn jetzt stechen die Worte am
Ende der Seite, die sie beim ersten Mal übersehen hat, klar und deutlich hervor.
     
    Desgleichen ist mein erklärter Wille, dass es sodann in
der Macht meines Nachlassverwalters Pylyp Orlyk oder seiner Nachkommen oder
deren Nachkommen liegen soll, sich jene Summe als Ganzes auszahlen zu lassen,
wenn irgendeiner meiner Vermächtnisnehmer jünger als einundzwanzig Jahre alt
ist oder irgendeine meiner Vermächtnisnehmerinnen mit einundzwanzig Jahren in
den Stand der Ehe treten sollte. Doch um eines noch höheren Maßes an Sicherheit
willen scheint es geraten, die Meinung des Rats der Direktoren einzuholen, was
die Übertragung des Kapitals durch den Nachlassverwalter betrifft.
     
    Kate öffnet die Akten des Rats der Direktoren, vom
hilfsbereiten Roger herbeigeschafft. Sie forscht nach deren Meinung, genau wie
vermutlich Graf Orly im Jahr 1748, als er
gemeinsam mit Sofia nach London reiste, um die Direktoren aufzusuchen. Kate ist
keineswegs überrascht, als sie die Berichte liest, datiert vom 17. Juli 1748. Sie hat
dies erwartet und gefürchtet wie die öffentliche Verkündigung eines Urteils,
wie die Bestätigung des Arztes, dass der Tod bevorsteht - eine Diagnose, die
man schon die ganze Zeit geahnt, befürchtet, gewusst hat. Doch auf Seite 17 der Akten
des Rats der Direktoren hat sich ein fleißiger Mensch die Mühe gemacht, es noch
einmal genau zu erläutern, und all die höflichen, blumigen Floskeln können die
krasse Wahrheit nicht beschönigen:
     
    Der Rat der Direktoren der Bank am Dienstag, den 17. Juli 1748
    Anwesende: William Fawkener, Esquire - Direktor Charles
Savage, Esquire - Vizedirektor
    Ausländisches Gold überprüft.
    Der Herr Vizedirektor hat berichtet, dass das
Aktienkapital von der Bank im Namen des verstorbenen Obersts Polubotok
überprüft wurde und dass das Kapital auf Bitten des Testamentsvollstreckers
obenerwähnten Erblassers, Graf Orly, geboren als Kosak Grygorij Orlyk, an die
Hinterbliebene Sofia Polubotok übereignet werden soll, die jünger als einundzwanzig
und nicht verheiratet ist. Der Council ist einstimmig der Meinung, dass für
selbige auf das als Sicherheit gewährte Polubotok-Kapital ein Darlehen
bewilligt werden solle. Der Rat der Direktoren pocht auf pünktliche Rückzahlung
des Darlehens, für dessen Sicherheit das bei der Bank deponierte Gold bürgt.
     
    Kate braucht das von 1748 bis 1763 datierte
Kontokorrentbuch gar nicht erst zu öffnen, denn sie weiß genau, was sie dort
finden wird. Eine Zeile, die alles ausstreicht: Andrijs Tod, ihre Reise nach
Kiew, die monatelange Recherche. Sie schluckt krampfhaft und wendet mit
steifen, kalten Fingern die erste Seite um.
     
    ... Erlaubnis ... das an die Cassierer ausgehändigte Guthaben
...
    Sie geht zur nächsten Seite und dann zur übernächsten.
Drei Seiten später findet sie, wonach sie gesucht hat.
     
    An den Kassierer der Bank of England
     
    Gestatten Sie MrGrygorij Orlyk, meinem Konto jede erdenkliche
Summe, die er fordern

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