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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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Prior noch einmal
zu ihr um. »Ich werde bei dem Treffen anwesend sein, darf aber nicht
übersetzen: eine Frage der Rangordnung und des Gehorsams. Bruder Sergij ist
sehr gut, wie Sie bereits wissen. Ihm können Sie vertrauen. Sie haben zehn
Minuten, Kateryna. Gott helfe Ihnen.«
    Der Metropolit sitzt an einem massiven, mit dunkelgrünem
Stoff bedeckten Tisch. Sein Gesicht ist zur Hälfte beleuchtet, eine Schreibtischlampe
aus Malachit verzerrt die Züge unter der weißen Mitra. Mit seinem langen Bart
hätte er an Sankt Nikolaus erinnert, wenn nicht sein ernster, zurückhaltender
Blick gewesen wäre. Ein Nikolaus ohne das augenzwinkernde Lächeln. Ein
Riesenunterschied. Er verteilt keine Geschenke, er erteilt nicht Vergebung, er
geht einfach nur fest davon aus, dass jeder Mensch ein Sünder ist. Er begrüßt
Kate mit reserviertem Nicken. Sie fragt sich, ob es stimmt, dass hohe orthodoxe
Würdenträger, »der weiße Klerus«, keine Frau berühren, ja ihr nicht einmal die
Hand geben dürfen. Der Metropolit schweigt. Kate sieht dies als ihre Chance, zu
sprechen. Als sie den Mund aufmacht, fällt ihr erschrocken ein: Sie hat ja
keine Ahnung, wie sie ihn ansprechen soll: »Lieber Metropolit« ? »Wladyka«? »Eure Heiligkeit«? Sie entschließt sich zu »Sir« und
hofft, dass Bruder Sergij nicht nur ein begabter Dolmetscher, sondern auch ein
guter Diplomat ist.
    »Sir«, beginnt Kate, »Pearson and Butler, die
Rechtsanwaltskanzlei, bei der ich arbeite, befindet sich im Besitz des
Testaments unseres Klienten.« Das Testament eines Klienten? Wer ist
denn dieser Klient? Ein Kosak aus dem 18. Jahrhundert?
Oder sein trefflicher Nachfahr, ein argentinischer Alkoholiker? Was, wenn der
Metropolit nachfragt? Kate spricht jetzt schneller, damit er keine Chance hat,
sie zu unterbrechen.
    »Gemäß diesem Testament, Sir, soll dem ukrainischen Staat
ein beträchtliches Erbe übermittelt werden. Allerdings hat uns unser Klient
strikt instruiert« - ups! Vergiss das Wort »Klient«, Kate! -, »die
entsprechenden Dokumente dem Präsidenten zu übergeben, und nur ihm allein.«
Kate ist überrascht, wie fest ihre Stimme klingt. Sie hat das vorher nicht
geübt, nicht durchdacht. Und wie hat sie es geschafft, sich so kurzzufassen?
       Der
Metropolit deutet mit einem Nicken an, dass er ihre Worte zur Kenntnis genommen
hat, schweigt aber immer noch. Der Prior, den die Gegenwart des Metropoliten
etwas nervös macht, beschließt, Kate nachträglich vorzustellen. »Wasche
Blashenstwo, die Kanzlei Pearson and Butler hat bereits in der
Vergangenheit für uns gearbeitet. Ich bin Kateryna vor vier Jahren zum ersten
Mal begegnet. Mit ihrer Hilfe wurde eine Ikonensammlung an uns übergeben, die
nun im Erdgeschoss der Schatzkammer zu sehen ist. Sie ist eine
vertrauenswürdige, erfahrene Anwältin und hegt tiefe Sympathie für unser Land.«
Ich wünschte, Carol könnte das jetzt hören, denkt Kate. Der Metropolit
betrachtet sie äußerst skeptisch. »Sie erwähnten ein beträchtliches Erbe. Über
welche Summe sprechen wir?« Kate antwortet nicht.
    »Er meint - wie viel ist es?«, souffliert Bruder Sergij.
Ich weiß genau, was er meint, denkt Kate und nennt zum ersten Mal die Summe.
Der Betrag klingt irreal, fast wie ein theoretischer Begriff, eine abstrakte
Vorstellung.
    Eine lange Stille tritt ein. Endlich bringt der Prior es
über sich, seine Meinung kundzutun.
    »Wasche Blashenstwo, wenn Sie
mir gestatten würden ... Ich denke, wenn man dem Präsidenten klarmachen würde,
dass Sie - dass die Kirche - in dieser Angelegenheit mitgeholfen hat, dann, mit
Gottes Hilfe, wird er dafür Sorge tragen, dass die Kirche nicht vergessen wird,
wenn das Geld eintrifft.«
    Wieder ruht der starre Blick des Metropoliten schwer auf
Kate. »Haben Sie die Dokumente dabei?«
    Kate hat die Papiere in ihrer Handtasche, aber irgendetwas
hält sie davon ab, zu nicken. »Nein, und sie sind auch nicht im Hotel. Ich habe
sie an einem sicheren Ort verwahrt. Wie gesagt, ich kann über die Dokumente nur
mit dem Präsidenten persönlich sprechen.« Ihr fällt kein sicherer Ort in Kiew
ein, und sie hält inne.
    Dieses Innhalten verleiht ihren Worten zusätzliches
Gewicht und entscheidet den Ausgang des Treffens.
    Der Metropolit spricht langsam und klopft nach jedem Satz
mit der flachen Hand auf das grüne Tischtuch, was jedem seiner Worte unumstößliche
Gültigkeit verleiht. Selbst die Übersetzung des Harvard-Absolventen kann den
Sinn dieser Aussagen nicht mildern. »Die Kirche

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