Shevchenko, A.K.
zu legen, wird er von einem dicken Mann mit rotem Gesicht
umgerannt, der eine riesige Kiste schleppt. »Verdammte Scheiße, was soll das,
hier blöd im Weg rumstehen?« Der Fuseldunst raubt Taras fast den Atem. »Das ist
eine Unterführung, verdammt noch mal, und kein Konzertsaal!«
Willkommen zu Hause. Schließlich ist das jetzt
sein Zuhause, diese hektische Gegend mit lauter identischen Wohnblocks, nicht
mehr das ferne Dorf in den Bergen, mit der strohgedeckten chata. Er wird
nie mehr dorthin zurückkehren. Dort liegt immer noch zu viel Geraune in der
Luft. Dort warten immer noch zu viele Feinde, deren Narben an seine
berühmt-berüchtigen Boxhiebe erinnern: wenn die Knöchel seiner geballten Faust
auf den Nasenrücken des Rivalen knallten. Blut, brüllender Schmerz, Kampf
beendet. »Was soll nur aus ihm werden?«, pflegte Baba Gapa ihre Nachbarn zu
fragen, schlug rasch ein paar Kreuze und fügte hinzu: »Gospody
pomojy«, bat also Gott, Taras dabei zu helfen, dass er im Leben auf
der geraden Bahn bleiben möge.
Als Taras achtzehn war, das Alter der Einberufung,
händigte ihm der Postbote eine powestka aus,
einen gelben Zettel, der ihn anwies, sich am 5. Mai um 9.00 Uhr
morgens beim Einberufungsbüro der Armee in der nächstgelegenen Stadt zu
melden. Er war begeistert. Endlich eine Chance, die wahre Welt zu sehen! Es
dauerte aber nicht lange, da merkte er, dass es in dieser wahren Welt Leute
gab, die viel stärker waren als er, und dass dort andere Regeln herrschten.
Da Taras sich mit Traktoren und landwirtschaftlichen
Maschinen auskannte, wurde er zu einer Elite-Panzerdivision in den Fernen Osten
geschickt. Nach vier Monaten Fitnesstraining in der utschebka, dem Ausbildungszentrum, zog er in die Baracken der
Panzereinheit, wo er achtzehn Monate seines Lebens verbringen sollte. Es gefiel
ihm auf Anhieb im Quartier der Division, ab dem Moment, da er durch die grünen
Tore mit den riesigen roten Sternen schritt. Ihm gefielen die Ordnung und die
Sauberkeit des frischgefegten Teer-Makadams, die patriotischen Plakate und der
alte T34-Panzer auf dem grauen Zementsockel. Der Duft frischgemähten Grases
und die weißgetünchten Einfassungen der Blumenbeete erinnerten ihn an sein
Heimatdorf. Er stand eine Weile am Eingang des Barackenraums, um sich an das
dämmrige Licht zu gewöhnen, an die Reihen der Doppelkojen mit ihren ordentlich
eingeschlagenen rauen grauen Decken. Gerade als er überlegte, wen er hier nach
seiner Koje fragen könnte, kamen drei Soldaten langsam auf ihn zu. Statt ihn zu
begrüßen, hieb einer davon ihm in die Magengrube - ein heftiger, gutgezielter
Schlag mitten in den Solarplexus. Es folgten weitere Hiebe, bis Taras in die
Knie brach, über den Boden kroch und die Hände schützend vor den Kopf hielt wie
ein geblendetes, verwundetes Tier. Ein weiterer Soldat nahm ihm seinen
Kleidersack weg, riss die Seiten aus seinem dünnen Adressbuch und zertrat mit
dem schweren Stiefel seine Zahnbürste. Während der ganzen Tortur fiel kein
Wort.
So schloss Taras Bekanntschaft mit den »Bossen« - drei
Tschetschenen im zweiten Dienstjahr: Rustam, Achmed und Majrbek. Diese
skrupellosen Typen stammten aus dem gleichen tschetschenischen Dorf und waren
nicht etwa blutrünstig, sondern nur neugierig, wie weit sie es mit neuen
Rekruten treiben mussten, bis ihr Wille gebrochen war und sie zu gehorsamen
Zombies wurden. Die Neugier wich bald der Langeweile, da es nur selten vorkam,
dass ein neuer Soldat nach dem »Knopftraining« noch aufzubegehren wagte. Der
dritte metallene Knopf des Soldatenhemds wurde auf dem Brustkorb des
Neuankömmlings flach getreten und hinterließ dort einen dunkelroten Bluterguss.
Alle anderen hatten sich den Forderungen der Tschetschenen unterworfen und
verbargen Hass und Demütigung in den hintersten Winkeln ihrer Soldatenseelen.
Doch jetzt hatten die Kings eine harte Nuss zu knacken - diesen Jungen aus den
Karpaten, der sie mit kaltem, trotzigem Blick anstarrte.
In der ersten Nacht warf ihn Rustam aus seiner Koje und
schnauzte ihn an: »Hol deine Zahnbürste und wichs mir die Schuhe. Das ist ein
Befehl!«
Taras' Knöchel wurden weiß, als er die Faust ballte und
Kraft sammelte, und im nächsten Moment blutete Rustams Nase. Niemand in der
Baracke hatte jemals gewagt, den Bossen in die Augen zu blicken, geschweige
denn, sie zu attackieren. Rustam schlug nicht zurück; das wäre zu einfach
gewesen. Stattdessen suchte er fünf junge Rekruten aus, um das für ihn zu
erledigen. Als die Einheit
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