Sheylah und die Zwillingsschluessel
einem zweiten Arm und einem Kopf. Sheylah war wie erstarrt und konnte nichts weiter tun, als das Wesen anzustarren, das sich langsam aus dem Felsen schälte. Als es sich komplett von dem Gestein gelöst hatte, schaute es auf Sheylah herab. „Vorsicht“, rief Andrey und sie duckte sich, obwohl sie nicht mal sicher war, dass er sie gemeint hatte. Sheylah spürte einen scharfen Windzug über ihren Kopf hinwegfegen und dann ein lautes Krachen, gefolgt von einem fürchterlichen Brüllen, das in ihren Ohren schmerzte. Sie blickte auf und sah gerade noch einen riesigen Felsbrocken auf das Wesen treffen, das eben aus dem Felshang geklettert war. Mit einem tiefen Krachen zersprang es in große und kleine Steinbrocken, die auf Sheylah und ihre Begleiter niederprasselten. Sie sah sich nach dem Werfer um und entdeckte ein weiteres Wesen, das genauso groß, aber um den Bauch herum dicker war. Es war gleichermaßen hässlich und erinnerte Sheylah an ein Geschöpf, das sie aus alten Märchen kannte. „Andrey?“, rief sie ungläubig. „Sind das Trolle?“ „Schlimmer, es sind Felsentrolle“, antwortete er und zog sie mit sich, als der Troll einen weiteren Stein nach ihnen warf. „Gegen die können wir nichts ausrichten, wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.“ Neela, die in Deckung gesprungen war, rappelte sich auf und lief zu Andrey und Sheylah. Andrey warf einen Blick auf den Troll, der noch mit einem Fuß im Felsen steckte. „Wir müssen weg hier, es werden noch mehr kommen“, rief er und setzte sich in Bewegung. Neela schwang sich auf Raquis Rücken und preschte voraus. Erneut wurde Staub aufgewirbelt, dann hörten sie ein lautes Fauchen, gefolgt von einem Fluchen. Kurz darauf waren Raqui und Neela wieder an ihrer Seite. „Sie haben uns den Weg abgeschnitten und umzingeln uns“, keuchte sie. Sheylah schaute sich um, konnte aber außer Staub nichts sehen. „Dann müssen wir uns trennen“, schlug sie vor und heimste einen entsetzten Blick von Neela ein. „Bist du wahnsinnig, wir werden uns nie wieder finden!“ Doch Andrey stimmte Sheylah zu: „Wenn wir zusammenbleiben, zerquetschen sie uns wie Würmer.“ „Am besten, wir teilen uns in Gruppen auf und treffen uns auf der Rückseite des Totengebirges“, schlug Djego vor. Andrey nickte, packte Sheylah bei der Hand und zog sie mit sich. Sie rannten blindlings in den dichten Staub hinein, als Andrey plötzlich scharf nach links bog und Sheylah herumschleuderte. Im letzten Augenblick, denn Sekunden später erschien eine große Steinfaust auf der Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte. Sie rannten weiter, bis der Staub weniger dicht wurde und sie wieder einigermaßen sehen konnten. Sheylah drehte sich um und konnte ihren Augen nicht trauen. Wo eben noch ihre Gruppe stand, hatten sich dutzende Felsentrolle versammelt und schlugen blindlings auf die Stelle ein. Sheylah wurde schlecht bei dem Gedanken, dass sich womöglich noch jemand dort befand. „Wir müssen weiter“, drängte Andrey und Sheylah warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Was ist, wenn noch jemand dort ist?“ „Darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen. Unsere einzige Sorge liegt darin, Morthon zu besiegen.“ Und so grauenhaft seine Worte auch klangen, wusste sie doch, dass er recht hatte. Bevor sie etwas erwidern konnte, spürte sie einen erneuten Luftzug und etwas an sich vorbeisausen. Plötzlich war Andrey verschwunden. Voller Panik schaute sie sich um und rief seinen Namen, doch dann traf sie etwas im Gesicht und sie sauste durch die Luft. Ihre Wange fühlte sich betäubt an und sie wunderte sich noch, warum sie so weit flog, als sie gegen etwas Hartes krachte und das Bewusstsein verlor.
Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war, aber der Heilungsprozess war noch nicht ganz abgeschlossen. Sie konnte spüren, wie sich die Knochen ihrer Schulter neu zusammensetzten und mit gesunder Haut überzogen wurden. Dann fühlte sie nur noch ein leichtes Prickeln und nichts wies darauf hin, dass ihre Schulter vor wenigen Sekunden noch zerschmettert gewesen war. Sie rappelte sich auf und hielt sich erschrocken an einem Felsen fest, als sie bemerkte, dass sie sich in dutzend Metern Höhe auf einem spitzen Felsvorsprung befand. In der Tiefe hörte sie Wasser rauschen. Ein Fluss, wie sie feststellte, als sie hinunter sah.
Sheylah wusste, dass sie nicht sterben konnte, dennoch hatte sie große Angst, in die Tiefe zu stürzen. Irgendein dämlicher Troll musste sie
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