Sheylah und die Zwillingsschluessel
kommt her“, rief er. Hektor und Vektor. Sheylah wollte sich schon über die Namen lustig machen, als sie die Wesen erblickte. Einst mussten es Hunde gewesen sein, nur waren sie viel größer, eher wie Löwen. Der eine war rabenschwarz, der andere braun. Ihre Pfoten hatten gewaltige Krallen und ihre Mäuler waren weit aufgerissen und entblößten rasiermesserscharfe Zähne. Wie auch die Feuerpferde hatten sie statt der Augen leere Höhlen, die einen aber dennoch anzusehen schienen. Auch ihre Haut war zu Asche verbrannt und in ihrem Innern loderte ein unaufhaltsames Feuer. Sie fletschten die Zähne und aus ihren Nasen stieg heißer Dampf empor, was Sheylah ziemlich bekannt vorkam. Sie überlegte einen Moment. „Sind das …?“ „Höllenhunde“, kam ihr Marces zuvor und strahlte nur so vor Stolz. „Haben Höllenhunde nicht mehrere Köpfe?“, fragte sie und beobachtete die beiden Kreaturen, die sich ihr langsam näherten. Sie wollte schon ihr Schwert ziehen, als Marces sie aufhielt. „Du kannst dein Schwert stecken lassen, sie werden dir nichts tun – noch nicht. Hektor, Vektor, Platz.“ Zuerst geschah gar nichts und die Hunde kamen einfach näher, dann wiederholte Marces seinen Befehl und sie stockten. Sie fletschten die Zähne und bellten ihn an, gehorchten aber nach einigen Augenblicken und setzten sich. Sheylahs Blick war zweifelnd. Wenn er sie so schlecht unter Kontrolle hatte, wollte sie ihr Schwert doch lieber bereithalten. „Und jetzt komm, sonst wird mein dunkler Herrscher zornig.“ „Was ist mit deinen Männern, mit denen du aus Torga geschlichen bist?“, fragte Sheylah, als sie die Dunkelberge fast erreicht hatten. Marces antwortete eine ganze Weile nicht, dann sagte er. „Sie haben sich von mir abgewandt.“ Sheylah blieb stehen. „Abgewandt?“ „Sie sagten, sie wollen lieber sterben, als sich Morthon zu unterwerfen. Den Wunsch habe ich ihnen erfüllt. Sie kämpfen am Fuße der Dunkelberge zusammen mit diesem Basapack.“ „Der Kampf hat bereits begonnen?“ Das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Schon vor Stunden. Er dürfte bald vorbei sein.“ Hörte sie da etwa Trauer in seiner Stimme? „Marces“, sagte sie und fasste ihn am Arm. Er zuckte zurück und die Höllenhunde knurrten leise, doch Sheylah beachtete sie nicht. Sie konnte diesen Kerl nicht leiden, hatte aber plötzlich Mitleid mit ihm. „Was ist?“, fragte er unhöflich und rieb sich die Stelle, wo sie ihn berührt hatte, als hätte er sich verbrannt. „Wieso tust du das? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du zu Morthon gegangen bist und deine Seele gegen Ruhm eingetauscht hast.“ Er wich noch einen Schritt zurück. „Was verstehst du schon davon? Du kommst in unsere Welt, spielst dich als Prinzessin auf und denkst, du kannst deinen Schlüssel wie ein Schutzschild vor dir hertragen und Morthon besiegen. Ich konnte dich von Anfang an nicht leiden, denn du bist naiv und jung. So viel Macht in den Händen eines Mädchens, was für eine Verschwendung!“ „Aber das kann doch nicht der Grund sein?“ „Der Grund? Falls du es noch nicht gemerkt hast, befehligt Morthon eine gewaltige Streitmacht, die das gesamte Land überrennen wird und ich sitze lieber am Fuße seines Throns, als unter der Erde zu liegen.“ Sheylah verdrehte innerlich die Augen. Diese Worte hatte sie schon viele Schurken in etlichen Filmen sagen hören und es war noch nie gut für sie ausgegangen. Er war zum Scheitern verurteilt, aber das war nicht ihr Problem. Ihres war, dass sie auf direktem Wege in die Höhle des Löwen ging und noch keine Idee hatte, wie sie lebend aus diesem Schlamassel herauskommen wollte. Sie konnte nur darauf vertrauen, dass Andrey sie spüren und die Verfolgung aufnehmen würde. Dazu musste sie jedoch erst einmal überleben. Die Dunkelberge ragten wie riesige bedrohliche Türme über ihnen auf. Sheylah hörte leises Trommeln und sonderbare Geräusche, die sie nicht einordnen konnte. Manchmal Kreischen, Geschrei, Gebrüll und noch tausend andere Dinge. Sie war sich aber sicher, dass es nicht die Kampfgeräusche der Schlacht waren, dafür waren sie einfach zu viele Kilometer vom Geschehen entfernt. Die Schlacht. Sie konnte es sich kaum vorstellen, dass wenige Kilometer weiter ein Kampf auf Leben und Tod stattfand. Achttausend Männer gegen Morthons Armee und hier war es so ruhig! Wie konnte ihr aller Schicksal in diesem Moment ausgetragen werden? Sheylah stockte, als sie leise Flügelschläge hörte. Marces hielt ebenfalls an
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