Sheylah und die Zwillingsschluessel
„Kannst du dich nicht mal woanders einschleusen? Du nervst“, meckerte Sheylah und warf Sou einen bösen Blick zu. Er beobachtete sie schon den ganzen Tag und tat nicht einmal so, als würde er sie nicht hören. „Das würde ich ja gerne, aber deine Gedanken übertönen alle anderen“, sagte er ungerührt. „Na toll“, sagte Sheylah und entfernte sich. „Du kannst nicht davonlaufen“, sagte er und folgte ihr. „Lass mich in Ruhe“, sagte sie barsch, doch er ließ sich nicht verscheuchen.
Das Nervige an Dämonen war, dass man sie nicht beleidigen konnte, weil sie zu solchen Gefühlen gar nicht imstande waren. Sheylah konnte also noch so unfreundlich sein, es würde ihn höchstens unterhalten. „Eigentlich wollte ich mich von dir verabschieden.“ Sheylah hielt abrupt inne. „Verabschieden?“ Er hob die Schultern. „Der Krieg ist vorbei und es wird Zeit, mir ein neues Abenteuer zu suchen.“ „Aber … ich dachte, du gehörst jetzt zu unserer Crew?“ Sou lächelte, doch sie meinte es absolut ernst. „Ich bin ein Dämon, Sheylah, auch wenn ich dir sehr menschlich vorkommen mag.“ Sie hob eine Augenbraue. „Du weißt, was ich meine. Ich bin freundlich zu den Menschen gewesen und habe nichts Böses getan, aber nun muss ich gehen.“ „Was soll das heißen? Was machst du denn sonst so Schlechtes?“ „Um unserer Freundschaft willen, werde ich nicht darauf antworten“, sagte er und kam ihr sehr nahe. „Werde ich dich wiedersehen?“, fragte sie und musste doch tatsächlich weinen – wegen eines Dämons. Sie war wirklich am Ende. „Du musst nur an mich denken.“ Er nahm sie in den Arm, auch wenn er sich dabei sehr ungeschickt anstellte. „Ein Mensch, der um einen Dämon weint“, sagte er, „Das wird mir niemand glauben.“ Dann war er verschwunden und Sheylah umarmte nichts als Luft. „Sou?“, fragte sie überflüssigerweise, obwohl sie wusste, dass er fort war. „Was machst du hier alleine?“, fragte Djego und kämpfte sich gerade hinter einem Busch hervor. „Sou hat uns verlassen.“
„Und er hält es nicht für nötig, sich zu verabschieden? Hm, ich konnte diesen Kerl sowieso nicht leiden.“ „Oh, ich wette, von Neela hat er sich verabschiedet“, sagte Sheylah und wollte neckend klingen, wusste aber nicht mehr, wie das ging. Djego seufzte und kam auf sie zu. „Es wird besser werden, Sheylah. Irgendwann wird der Schmerz vergehen.“ Er wollte sie in den Arm nehmen, doch Sheylah stieß ihn sanft von sich. „Ich will aber nicht, dass es besser wird. Ich will leiden … und mich an ihn erinnern.“ Djego schaute sie mitfühlend an. „Glaubst du wirklich, dass Andrey das gewollt hätte? Dass du bis an dein Lebensende leidest?“ Sheylah schaute ihn einen Moment an, dann brach sie zusammen. „Ich kann einfach nicht verstehen, warum er mich verlassen hat, Djego. Ich hasse ihn dafür.“ Und dann endlich brach der Damm und Sheylah ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Sie weinte eine Ewigkeit, wie es ihr vorkam und Djego hielt sie die ganze Zeit über in den Armen. „Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich weinen wirst“, sagte er nach einiger Zeit. Sheylah sah zu ihm auf und wischte die letzten Tränen weg. „Versteh mich bitte nicht falsch, uns allen fällt es schwer, dich leiden zu sehen, aber so weiß ich wenigstens, dass du noch etwas fühlst.“ Sheylah brauchte zwei Anläufe, um einen zittrigen Satz hervorzubringen. „Hört sich an, als ob der Schmerz etwas Gutes wäre.“ „Und ob er das ist“, sagte er bestimmt. „Wenn du nichts fühlst, bist du innerlich tot, aber der Schmerz zeigt dir, dass du noch am Leben bist und dass du wieder in Ordnung kommen wirst. „Ich weiß nicht, wie ich je wieder in Ordnung kommen soll, Djego“, flüsterte sie und neue Tränen rannen ihre Wangen hinunter. „Wir werden dir dabei helfen.“
Sheylah öffnete die Augen und stellte fest, dass sie auf einem Bett lag, doch sie war nicht allein. Sie schreckte hoch und drehte die andere Person so schnell um, dass diese aus dem Bett plumpste. „Aua“, sagte Neela und rieb sich den Kopf. Sheylah starrte lange auf sie herunter und spürte, wie ihre Augen feucht wurden. „Oh Gott, Sheylah, hast du etwa gedacht …“ Sheylah lachte bitter. „Dumm, oder? Für einen Moment hab ich doch wirklich geglaubt, du wärst Andrey und alles nur ein Alptraum gewesen.“ „Sheylah, ich …“, begann Neela und setzte sich auf die Bettkante, aber Sheylah unterbrach sie. „Du brauchst nichts zu sagen,
Weitere Kostenlose Bücher