Sheylah und die Zwillingsschluessel
nicht lautstark zu protestieren.
Dass Neela akzeptierte, sie nicht mit ‚Herrin‘ anzusprechen, hieß offenbar nicht, dass sie sie nicht trotzdem wie eine behandeln würde. Sheylah seufzte frustriert. Das Zimmer war rund und gewaltig und es füllte den gesamten Turm aus. Von außen hatte der Turm so winzig ausgesehen. Gegenüber der Tür befand sich ein großes Fenster, das mit lila Vorhängen zugezogen war. Unter dem Fenster stand ein kleiner hellbrauner Holztisch mit passendem Hocker dazu. In der rechten Ecke des Zimmers stand ein großes Himmelbett, ebenfalls aus hellbraunem, bestimmt nicht billigem, Holz. In dem Himmelbett hatten mindestens drei Menschen Platz. Die linke Seite des Raumes nahmen drei wuchtige hellbraune Truhen ein und auf dem Boden lag ein Teppich in Rosa- und Violetttönen. Das Zimmer war genau nach ihrem Geschmack eingerichtet und an Dekoration mangelte es auch nicht. Eine weiße Kerze, ein babyblaues Nachtgewand sowie Pergament und Schreibfeder lagen auf dem Tisch. Neben den Truhen stand eine Pflanze mit lila Blüten, ein Spiegel aus Silber auf dem Tisch und neben der Tür sah Sheylah einen rosafarbenen Vorhang, hinter dem sich jedoch nichts befand, außer nacktem Stein. Ebenfalls zierte ein Krug Wasser neben einer Schüssel und einem Stück Seife das Zimmer. „Wozu ist der Vorhang gut, wenn sich nichts dahinter befindet?“, fragte Sheylah und zog ihn zur Seite. Neela hatte ein geheimnisvolles Grinsen im Gesicht. „Das ist eine verborgene Wendeltreppe, die zur Eingangshalle führt“, antwortete sie und tastete die Steinwand mit den Fingern ab.
Dann nahm sie Sheylahs Hand und legte sie darauf. „Spürst du den Luftzug?“, fragte sie und drückte Sheylahs Hand dagegen. Zuerst spürte Sheylah gar nichts, doch dann wurde ihre Hand kühler. Sie nickte und Neela drückte ihre Hand mit ganzer Kraft gegen den nackten Stein. Sheylah gab einen überraschten Laut von sich. Hätte Neela sie nicht im allerletzten Moment festgehalten, wäre sie die Stufen hinuntergepurzelt. Die Steintür hatte sich so schnell zur Seite geschoben, dass sie keinen Halt gefunden hatte. „Vorsicht. Dieser Turm ist mehr als vierzig Meter hoch. Es wäre ein langer und schmerzhafter Weg nach unten, “ sagte sie und zog Sheylah von der unbeleuchteten, im Dunkeln liegenden Treppe zurück. „Danke für die Vorwarnung“, sagte Sheylah. Ihre Stimme war brüchig vor Schreck. „So merkt man es sich besser. Beim nächsten Mal bist du vorsichtiger.“ Sheylah zog die Bettvorhänge beiseite und ließ sich auf das Bett plumpsen. Dann erinnerte sie sich, wie dreckig ihre Sachen waren, und sprang wieder auf. Neela lachte. „Schön, dass ich dich unterhalte“, sagte Sheylah grinsend. „Frische Kleider sind in der mittleren Truhe. Ich muss jetzt gehen.“ „Kann ich dich begleiten?“, fragte Sheylah. Sie wollte nicht allein sein. Was sollte sie mit sich anfangen? „Leider nicht. Ich muss die Küche säubern und Vorbereitungen für das morgige Festmahl treffen“, antwortete Neela. Sie klang auch nicht glücklich. Sheylah seufzte. „Ich schätze, eine Prinzessin in der Küche macht sich nicht gut, oder?“ Neela lächelte. „Ich werde morgen früh nach dir sehen. Ich muss dich ohnehin ankleiden und vorzeigbar machen.“ Bevor Neela Gute Nacht sagen konnte, schloss Sheylah sie in die Arme. Die völlig überraschte Neela erwiderte ihre Umarmung so steif, dass Sheylah lachen musste. „Du darfst mich ruhig drücken.“ Neela tat es, wenn auch zaghaft, aber es war immerhin ein Anfang.
Als Sheylah sich von ihr löste, lächelte Neela verlegen. „Nun, dann wünsche ich dir eine gute Nacht.“ Dann ging sie und Sheylah wandte sich dem Wasserkrug zu. Sie goss das Wasser in die danebenstehende Schüssel und tauchte ihre Hände hinein. Sie erschauderte, das Wasser war eiskalt. Also biss sie die Zähne zusammen, schälte sich aus ihren blutig dreckigen Klamotten und machte sich sauber. Zum Schluss schlüpfte sie in das babyblaue Nachtgewand, das auf dem Tisch bereitlag und legte sich ins Bett, doch es dauerte eine Ewigkeit, ehe Sheylah in den Schlaf fiel. Es kreisten zu viele Gedanken in ihrem Kopf herum, die sie erst einmal verdauen musste. Sie war, wie auch immer sie das bewerkstelligt hatte, in ein anderes Land gereist, das irgendwo im Mittelalter hängen geblieben war. Man glaubte hier anscheinend an irgendeine Kraft, die mit ihrem Schlüssel zu tun hatte und verlangte von ihr, dass sie diese Kraft gegen diese Skintii einsetzte,
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