Sheylah und die Zwillingsschluessel
landeten. Der Pub war leer, mit Ausnahme des Wirtes, der hinter der Theke stand. Er sah so aus, wie sich Sheylah einen Wirt aus dem Mittelalter vorstellte. Fettige Haare, einen nicht unauffälligen Bierbauch, dreckige Schürze, ungepflegtes Auftreten und dicke gerötete Wangen. „Mensch, Neela, du verkehrst ja in Kreisen“, scherzte Sheylah. Neela ignorierte ihre Bemerkung und setzte sich an einen Tisch weit weg von der Theke. „Bist du sicher, dass wir hier ungestört sind?“ Neela nickte. „Hier kommt so gut wie niemand her, außerdem ist der Wirt fast taub.“ „Wie bist du nur an diesen Ort geraten?“ „Ist unwichtig“, entgegnete Neela knapp und hatte nun gar nichts mehr von der einst so schüchternen Dienstmagd. Sie beobachteten den Wirt. Er trocknete ein paar Becher ab, jedoch war das Handtuch so schmutzig, dass er allenfalls das Gegenteil bewirkte. Wie eklig. Neela wartete, bis er aufschaute, dann hielt sie zwei Finger in die Höhe und wandte sich Sheylah zu. Sheylah sah noch, wie er nickte, dann füllte er zwei Krüge mit einer bräunlichen Flüssigkeit. Sah jedenfalls nicht lecker aus. „Du steckst in Schwierigkeiten“, begann Neela mit gesenkter Stimme. „Ich fürchte, die Sache ist ernst. Sie müssen von mir erfahren haben, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie. Mein Zauber scheint jedenfalls noch zu wirken, sonst wäre ich längst entdeckt worden.“ „Bist du wirklich eine Spionin?“, fragte Sheylah. „So würde ich es nicht bezeichnen, ich komme zwar aus einem anderen Königreich, aber ich bin hier, um dich zu beschützen und nicht, um den Grafen auszuspionieren“, erklärte sie. Bevor Sheylah etwas erwidern konnte, fuhr sie fort. „Als ich gestern Abend deine Gemächer verließ, bin ich an zwei Wachen vorbeigekommen, die sich unterhalten haben. Sie sagten, dass der Graf dabei wäre, eine Armee zusammenzustellen. Sie wollen in weniger als einem Monat in den Krieg ziehen. Und du, Sheylah, sollst sie anführen.“ Sheylah fiel fast vom Stuhl. „In einem Monat schon? Moment mal, was soll das heißen, ich soll sie führen?“ Neela wollte eben antworten, als der Wirt ihnen ihr Bier brachte. Sie wartete, bis er es auf den Tisch gestellt hatte und verschwand, bevor sie weiter redete. „Du bist die Trägerin des Schlüssels, Sheylah, die Menschen haben sich all die Jahre nicht gegen die Skintii gewehrt, weil sie Angst hatten. Doch du gibst ihnen neue Hoffnung, nur du kannst es mit ihnen aufnehmen, mit der Macht des Schlüssels.“ Sheylah überkam ein Schauer. „Aber ich weiß doch gar nicht, wie man kämpft, geschweige denn, wie ich die Kräfte gegen sie einsetzen soll. Das ist viel zu waghalsig.“ „Endlich jemand, der es begriffen hat“, sagte Neela spöttisch. „Wenn es nach mir ginge, wärst du frühestens in einem Jahr bereit, aber ich habe hier leider nicht das Sagen.“ Jetzt klang sie verbittert. „Wir müssen den Grafen umstimmen, er kann mich nicht so unvorbereitet in den Krieg schicken, wir würden ihn nicht gewinnen“, antwortete Sheylah und schlug mit der Faust auf den Tisch. Neela rieb sich die Stirn. „Ich fürchte, es ist zu spät. Wir können den Grafen nicht mehr umstimmen.“ „Wie kannst du das wissen, wir haben es ja nicht einmal versucht“, fragte Sheylah empört. Neela nahm ihre Hand „Sheylah, ich kenne den Grafen länger als du und glaube mir, er ist nicht der, der er einmal war. Zu seinen besten Zeiten war er ein gerechter und gewissenhafter Herrscher, aber die Zeiten haben sich geändert. Jeden Tag verliert er mehr und mehr Männer an den Feind. Er glaubt, wenn er nicht bald handelt, wird er keine Männer mehr haben, um ihnen die Stirn zu bieten. Deswegen setzt er jetzt alles auf eine Karte – auf dich. Er hat Angst, in die Geschichte als ein Herrscher einzugehen, der sich nicht gegen den Feind gewehrt hat. Er ist alt und seine Zeit wird bald um sein. Ich glaube, dass er lieber mit wehenden Fahnen untergehen würde, als untätig zuzuschauen.“ „Wenn das so ist, müssen wir uns umso stärker bemühen, ihn zur Vernunft zu bringen“, stellte Sheylah klar und nahm einen Schluck von der braunen Brühe. Hätte der Wirt nicht in diesem Moment aufgeschaut, hätte sie es wieder ausgespuckt. Das war kein Bier, sondern … na ja, sie sagte lieber nicht, wofür sie es hielt. Sie lächelte dem Wirt zu, wenn auch ein bisschen schief und zeigte einen Daumen in die Höhe. „Es ist zwecklos, Sheylah, glaube mir.“ Neela klang frustriert. „Eine Sache
Weitere Kostenlose Bücher