Sheylah und die Zwillingsschluessel
irreführen ließ. Das hatte er schon oft im Training bewiesen. Sheylah zielte auf seinen Bauch, doch er machte einen Satz nach hinten, so dass sie nach vorn stolperte. Ein Fehler, den sie immer wieder beging. Sie fluchte und versuchte noch Halt zu finden, doch Andrey schlug ihr mit der flachen Hand auf den Rücken und sie ging zu Boden. „Ich habe jahrelange Übung auf meiner Seite. Du wirst mir zustimmen, dass Geschick vorteilhafter ist als Kraft“, antwortete er. Sheylah rappelte sich auf und schleuderte ihm ein Schimpfwort nach dem anderen entgegen. Als sie wieder auf den Beinen war, griff sie erneut an. Diesmal war Andrey auf ihren Angriff vorbereitet. Sheylah zielte auf sein rechtes Bein, doch Andrey ahnte ihre Bewegung voraus und blockte ab. Ihre Schwerter schlugen klirrend aufeinander und Sheylah wurde von der Wucht des Zusammenstoßes zurückgeschleudert. Hatte sie etwas nicht richtig mitbekommen? Müsste sie nicht stärker als Andrey sein? Vielleicht hatte sie sich nicht richtig konzentriert. Sie versuchte es gleich nochmal, doch ehe sie mit ihrem Schwert auch nur ansatzweise in die Nähe seines Körpers gelangen konnte, lag sie schon wieder am Boden. „Du musst dein Schwert richtig festhalten“, sagte er und zeigte ihr, wie man es richtig tat, doch Sheylah schaute gar nicht richtig hin. Die Tatsache, dass er stärker war, verwirrte sie. Sie hatten vorher noch nie so ernsthaft gekämpft, deswegen war es ihr vielleicht nicht aufgefallen, aber nun merkte sie, dass etwas nicht stimmte. „Wieso bin ich nicht stärker als du? Müsste ich dich nicht mit einem Schlag außer Gefecht setzen können?“ „Oh, du bist stark, aber nicht gegen uns“, antwortete er und deutete auf sich und Djego.
„Du kommst nicht gegen mich an, weil ich gut bin.“ Sie erinnerte sich, so etwas schon einmal gehört zu haben. „Tarem und Tuga wurden ursprünglich dafür geschaffen, Gut und Böse zu bekämpfen. Während Tuga also nur gegen das Gute Macht hat, kann Tarem nur gegen das Böse antreten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass du lernst, dich zu verteidigen. Denn wenn jemand anderes als ein Skintii dich angreift, bist du nicht stärker als eine gewöhnliche Frau.“ „Und das ist so, weil …?“ „Weil die Skintii das absolut Böse verkörpern. Die Welt teilt sich nicht in Gut und Skintii auf. Es gibt auch gute und schlechte Menschen. Auf schlechte Menschen hat Tarem keine Wirkung, das würde gegen das Gesetz seiner Magie verstoßen. Merke dir also, dass Tarem nur auf das ursprünglich Böse konzentriert ist.“ Durch Sheylah ging ein Ruck. Irgendetwas stimmte nicht. „Nun, jetzt weiß ich wenigstens, warum mich die Männer vor der Spelunke so ohne Weiteres angreifen konnten. Diese kleine, anscheinend unscheinbare Information hättet ihr mir auch früher geben können, das hätte mir eine Menge Schmerzen erspart.“ Hatte sie das eben wirklich gesagt? Den Gesichtsausdrücken von Andrey und Djego nach zu schließen, ja. „Wenn wir gewusst hätten, dass du zu solch waghalsigen und dummen Aktionen fähig bist, hätten wir dich schon am ersten Abend gewarnt“, meldete sich Djego zu Wort. Hatte er sie gerade dumm genannt? „Djego, bitte“, sagte Andrey in dem Versuch, den brodelnden Kessel nicht zum Überlaufen zu bringen. Beschwichtigend hob der die Hände und schaute abwechselnd von einem zum anderen. Doch ehe Sheylah sich zurückhalten konnte, verließen die Worte auch schon ihren Mund. „Dann ist es also meine Schuld, dass ich von diesem besoffenen Gesindel angefallen wurde? Und wo warst du überhaupt? Als der Anführer der königlichen Wache bist du wohl doch nicht so gut geeignet. Andererseits kann man von einem zweitklassigen Kämpfer nicht viel erwarten, oder? Bist wahrscheinlich ein Günstling des Grafen, sonst hättest du doch diese Stellung gar nicht bekommen. Vielleicht sogar ein Spion der Skintii? Woher weiß ich denn überhaupt, dass ich dir trauen kann? Du hättest es ja auch in der Wüste nicht mal mit dem Skintii aufnehmen können, der mich angegriffen hat.“
„Das reicht“, sagte Andrey völlig fassungslos. Djegos Kopf lief rot an. Er sah aus, als wollte er ihr jeden Moment an die Gurgel gehen. Sheylah kam es vor, als würden sich alle Gefühle der letzten Wochen in Wut umwandeln, die sie jetzt dringend loswerden musste. Djego sprach langsam und mit zusammengebissenen Zähnen. „Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dich heil nach Torga gebracht und den Skintii daran gehindert, dich
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