Sheylah und die Zwillingsschluessel
Männer“, sagte Andrey. Sheylah hob die Brauen. „Oh nein! Mit diesem Männer-Mist brauchst du mir gar nicht erst anzufangen. Ich möchte gefälligst wie jeder deiner Ritter auch behandelt werden - nicht besser und nicht schlechter“, forderte sie. Andrey und Djego wechselten einen Blick und ihr Gefühl sagte ihr, dass dieser nichts Gutes bedeutete. Djego hakte noch einmal nach: „Du möchtest also genauso wie Andreys Männer behandelt werden?“ Sie nickte. »Das sagte ich doch.« Andreys Mundwinkel zuckten. „Dann, liebste Sheylah, bist du mit Tragen an der Reihe!“ „Was denn tragen?“, fragte sie und schaute von einem zum anderen. Andrey winkte einen Ritter herbei, der einen großen Sack voll Vorräte trug. Er brauchte eine Weile, um mit der Last zu ihnen zu gelangen. Sheylah schluckte, sie hatte verstanden. „Du wirst wie jeder meiner Männer für drei Stunden einen Sack tragen. Danach wird gewechselt und du hast eine Pause von zehn Minuten. Danach trägst du wieder einen Sack, für drei Stunden“, sagte Andrey lächelnd. Am liebsten hätte sie es ihm aus dem Gesicht geprügelt. Sie hasste es, wenn man sich über sie lustig machte. Vielleicht hasste sie es aber auch nur, wenn Andrey und Djego es taten. Und das taten sie oft. Um den Sack tragen zu können, musste sie von ihrem Pferd steigen. Djego band es an seines, unentwegt grinsend. Wortlos nahm Sheylah den Sack entgegen und wankte unter seinem Gewicht.
Einige Männer schauten völlig perplex und fingen zu tuscheln an. Sie wusste, was für ein jämmerliches Bild sie abgab. Als Sheylah das volle Gewicht auf ihre Schultern geladen hatte, fiel ihr ein, dass ihre Kräfte ja hier nicht wirkten, es sei denn, der Sack war böse. Und das bezweifelte sie, denn das Einzige, was der Sack ihr antun konnte, war, sie zu zerquetschen und dann war es nicht einmal seine Schuld, sondern ihre, weil sie nie ihre Klappe halten konnte. Bald war Sheylah so weit zurückgefallen, dass sie einige Meter hinter der letzten Kutsche lief. Einige Ritter hatten zwar ihre Hilfe angeboten, aber Sheylah hatte dankend abgelehnt. Sie war viel zu stur, als Andrey diese Genugtuung zu geben. Nach etwa einer Stunde, Sheylah hätte schwören können, es waren mehr, gab Andrey nach und schickte ihr einen Ritter, der ihr die Last abnahm. Andrey kam nicht selbst zu ihr, er war ein kluger Mann. Er ließ ihr die Wahl, sich zu ihm zu gesellen oder allein weiter zu schmollen. Also ritt sie wieder an die Spitze. „Ich werde mich besser für die Männer einsetzen und sagen, dass sie wie ich behandelt werden sollen“, sagte sie. Andrey musterte sie eingehend. Als er zu dem Schluss gekommen war, dass sie nicht sauer war, lächelte er. „Dann müssten wir alle grüne Kleider tragen und in stinkenden Kutschen schlafen, nein danke.“ Djego prustete los und schon war der kleine Zwischenfall vergessen. Andrey gab ein Handzeichen und das Tempo der Heerschar verdoppelte sich. Das Land wurde allmählich fester und steiniger. Sie ritten über leichte Erhöhungen und kamen an winzigen Böschungen vorbei, doch hauptsächlich blieben sie auf ebenem, kargem Land. Andrey hatte recht gehabt, es gab keine Zeit zum Ausruhen. Die Bewegungen der Pferde verhinderten, dass man sich auch nur eine Minute entspannen konnte. Hinzu kam, dass Andrey ständig seine Route ändern musste, um sogenannten Sandsümpfen auszuweichen. Sie ritten und ritten und irgendwann hatte Sheylah kein Zeit gefühl mehr. Ihre Oberschenkel schmerzten und versteiften sich und ihre Arme wurden schlaff. Sie blickte schon fast neidisch zu Andrey und Djego hinüber, diese sahen überhaupt nicht mitgenommen aus. Sie hatten mehr als vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen und versprühten eine Energie und Kraft, dass man sich in ihrer Nähe ziemlich klein vorkam. Als Sheylah ein Brennen in der Kehle verspürte, lugte sie zu den beiden hinüber. Sie hatte unheimlichen Durst, doch durfte es schwierig werden, Andrey den Wasserbeutel zu stibitzen, denn der hatte genauso schnelle Reflexe wie sie. Sie sah zu Djego, der ihr als leichteres Opfer erschien und langte nach seiner Flasche, welche am Pferdesattel baumelte. Ehe er überhaupt reagieren konnte, hatte sie schon drei große Schlucke genommen. „Hey“, protestierte er, als er sie trinken sah und nach seiner Flasche suchte. „Was ist?“, fragte Andrey beiläufig. „Sie hat meine Wasserflasche gestohlen.“ Sheylah musste lachen, denn er klang wie ein beleidigtes Kind. Andrey schüttelte belustigt
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