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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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klar und scharf wie Steinchen eines in weichem Gips verlegten Mosaiks. Und oben spannte sich der für das Baskenland typische dunkelblaue Himmel. Die Stille war so vollkommen, dass er das Rauschen und Klopfen des Blutes in seinen Schläfen hörte.
    Dann vernahm er jedoch einen anderen Laut: die Stimme Le Cagots, der von unten fragte: »Sollen wir hier ewig rumstehen? Bei den klagenden Eiern des Jeremias, du hättest dich erleichtern sollen, bevor wir aufbrachen!« Und als er durch die Nebelschicht kam, fügte er noch hinzu: »Aha, ich verstehe. Du hast dieses baskische Schauspiel für dich allein bewundern wollen, während wir da unten wie Köder an der Angel hingen! Du bist selbstsüchtig, Niko.«
    Die Sonne sank bereits, also gingen sie ein wenig schneller, damit sie, um die Bergflanke herum, noch vor Einbruch der Dunkelheit den Schutz der höchsten artzain xola erreichten. Als sie ankamen, fanden sie sie schon von zwei alten Schäfern besetzt, die das Whiteout von der anderen Seite hier heraufgetrieben hatte. Ihre schweren Rucksäcke verrieten, dass sie sich nebenberuflich als Schmuggler betätigten. Die baskische Mentalität fühlt sich beim Schmuggeln wohler als beim Handeln, das Wildern liegt ihr mehr als das Jagen. Gesellschaftlich akzeptierte Betätigungen lassen in ihren Augen die rechte Würze vermissen.
    Es gab einen Austausch von Begrüßungen und Wein. Als ein Flugzeug über ihnen erschien, machte Le Cagot das Zeichen der »Faust« für die Störenfriede, womit er sagen wollte, dass, wäre sein Wille Gesetz, diese Maschine vom Himmel fallen würde wie ein verwundeter Vogel, der spanische Boden mit den Leichnamen von zweihundert dummen Urlaubern auf dem Weg nach Lissabon übersät und somit die Welt von der Bürde der Übervölkerung befreit werden würde, weil jeder, der bei einem so perfekten Augenblick einfach weiterflog, eindeutig eine entbehrliche Kreatur sei.
    Als Le Cagot sich erst einmal in Rage geredet hatte, begann er seine Verwünschungen auf alle Ausländer auszudehnen, die seine Berge entweihten: die Touristen, die Wanderer, die Jäger und vor allen Dingen die Skifahrer, die abscheuliche Maschinen in den Bergen installierten, weil sie zu verweichlicht waren, um selber bergauf zu steigen, und die hässliche Hotels und lärmende Après-Ski-Vergnügungsstätten bauten. Dieses dreckige Scheißvolk! Nur wegen dieser großmäuligen Skiläufer und ihrer kichernden Häschen hatte der Herrgott am achten Tag gesagt, er wolle auch Waffen erschaffen.
    Einer der alten Schäfer nickte weise und bestätigte, dass diese Ausländer durch die Bank böse seien. »Atzerri; otzerri.«
    Wie es das Ritual der Konversation zwischen Fremden verlangte, ergänzte Hel dieses uralte dicton mit dem Satz: »Aber ich glaube, chori bakhoitzari eder bere ohantzea. «
    »Richtig«, antwortete Le Cagot. »Zahar hitzak, zuhur hitzak.«
    Hel lächelte. Denn das war der erste baskische Satz gewesen, den er vor Jahren in seiner Zelle des Sugamo-Gefängnisses gelernt hatte. »Mit der eventuellen Ausnahme dieses einen«, sagte er.
    Die alten Schmuggler erwogen seine Erwiderung einen Moment, dann lachten sie beide laut auf und schlugen sich auf die Knie. » Hori phensatu zuenak, ongi afaldu zuen!« (Ein Engländer mit einer klugen Story »ernährt sich davon«. Im Rahmen des baskischen Kulturkreises ist es der Zuhörer, der sich daran delektiert.)
    Sie saßen schweigend, aßen und tranken bedächtig, während die Sonne unterging und das Gold und Rostrot der Wolkenbank erlosch. Einer der jungen Höhlenforscher streckte mit zufriedenem Knurren die Beine aus und erklärte, das sei das richtige Leben für ihn. Hel lächelte vor sich hin, denn er wusste, dass dies vermutlich keineswegs das richtige Leben für diesen jungen Mann bleiben würde, der von Fernsehen und Radio bereits affiziert worden war. Wie die meisten anderen jungen Basken auch würde er sich früher oder später in die Fabriken der Großstädte locken lassen, damit seine Frau einen Kühlschrank haben und er in einem Café mit Plastiktischchen Coca-Cola trinken konnte – das bequeme Leben, Produkt des französischen Wirtschaftswunders.
    »Das hier ist wirklich ein schönes Leben«, bestätigte Le Cagot träge. »Ich bin viel gereist, habe die Welt in meiner Hand um und um gedreht wie einen Stein mit hübscher Maserung und habe dabei Folgendes entdeckt: Der Mensch ist am glücklichsten, wenn er ein Gleichgewicht zwischen seinen Bedürfnissen und seinem Besitz herstellt. Nun

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